Ein letztes, herzliches Vanakkam an euch alle! Die lange Pause tut mir außerordentlich leid, aber mein Kopf war in den letzten Wochen ein großes Durcheinander von Gefühlen… Deshalb habe ich diese Zeit erst mal ein wenig sacken lassen, und melde mich zurück, diesmal aus Deutschland. Zunächst soll es aber um die letzten Wochen und Tage in Kuppayanallur gehen, und was von diesem Jahr bleibt.
Gefüllte letzte Wochen in Gracy Illam
Es ist unglaublich, wie viel sich in einem Jahr ansammelt in den eigenen vier Wänden! Packen war keine sehr leichte oder angenehme Aufgabe, weil es schmerzlich an die bevorstehende Abreise erinnert und außerdem sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich war in den letzten drei Wochen in Kuppayanallur so beschäftigt, dass mir im Prinzip nur ein Tag zum Einpacken blieb, bevor ich nach Chennai aufbrach. Ich sortierte während der Schulzeit hektisch alles auf vier Stapel: „Deutschland“, „Hannah“(meine Nachfolgerin), „Mädels“ und „keine Ahnung, was ich damit machen soll“.
Ganz schwach erkennt man die Bodenmarkierungen
Am
Nachmittag schenkte ich noch ein letztes Mal meine ungeteilte
Aufmerksamkeit meinen 30 Hostelschwestern und Manimala, denn bei
allem Packen, sie bleiben doch das Wichtigste für mich! In einer
nächtlichen Aktion halfen mir dann vier meiner tapferen Mädels beim
Einpacken des Stapels „Deutschland“ in meinen Rucksack und den
Koffer. Ohne sie hätte ich wohl bis 5 Uhr morgens gepackt, durch
ihre effiziente Packweise (und manchmal auch schonungslosen
Entscheidungen, was mit muss und was nicht) konnten wir um 1 Uhr
morgens endlich den letzten Reißverschluss zumachen. Danke Mädels,
ihr seid einfach der Hammer!
Hier
noch ein kleiner Dialog aus besagter Pack-Nacht, der vielleicht
zeigt, wie sehr mich die Mädels immer noch im Griff haben/um den
Finger wickeln können:
S: „Miiiiss, it‘s not fitting! Very small space in your bag only…“ Ich: „We just have to press a little more!“ F: „Miss, why you have so many things? This India dress you don‘t need in Germany!“ Ich: „Ok, this Saree I will not take with me“
T.
nimmt mir den Saree aus der Hand und bestaunt ihn.
T: „Oh Miss, I try this Saree now? Pleeeeease, Samira Miss, only one minute I wear your Saree, pleeeease Miss…!“ Ich: „I don‘t know… it‘s midnight? I finish packing first…“ T: „Ok, Miss, ok, I help you, very fast, Miss!“
Solche Schlawinerinnen… wissen genau, dass ich ihnen nichts abschlagen kann 🙂
Und fertig…
Alles schaut so leer aus…
Wie traurig, ohne die Bilder an der Wand!
Packmeisterinnen!
Was ich
aber letztendlich aus Indien mit nach Deutschland nehme, ist weit
mehr als materielle Dinge wie Sarees oder Tee aus Darjeeling. Ich
möchte euch einen Einblick geben, von dem, was mir noch lange oder
vielleicht für immer bleiben wird. Das Kofferpacken findet auch auf
einer psychologischen Ebene statt, in diesem Sinne beginne ich jetzt
ein kleines, bekanntes Spiel.
Ich
packe meinen Koffer und nehme mit…
… einen Haufen lustiger, ernster (Inder lächeln fast nie auf Bildern), bedeutungsvoller Bilder, die mich für immer an eine unvergessliche Zeit erinnern werden und wie ein Schatz für mich sind.
…
hunderte Telefonnummern von TamilInnen, die ich teilweise sehr gut
kenne und teilweise nur einmal getroffen habe.
…
einen großen Stapel von Zeichnungen, Bastel-Kunstwerken und Briefen
meiner geliebten Mädels, die mir so viel Freude und Liebe geschenkt
haben, obwohl ich neu in ihrer Kultur war und nur ein wenig ihrer
Sprache sprechen kann.
… ein
Gespür für umweltbewusstes Handeln und einen geschärften Blick auf
westliches sowie mein persönliches Konsumverhalten.
…
Stoff zum Nachdenken über Themen wie Gerechtigkeit, Demokratie,
Umweltschutz und Bildungssysteme.
… einen Silberring mit einem Herz, für den die Mädels alle zusammengelegt haben, um mir eine Erinnerung an sie zu schenken. Ich trage ihn täglich, doch bräuchte ich keinen Ring um ständig an sie zu denken und sie in meinem Herzen zu tragen.
Ich werde euch in meinem Herzen und an meinem Finger überall hin mitnehmen, meine thangaccis!
… eine Vorliebe für Farben und Vielfalt.
Farbexplosionen, als Kuppayanallur zum eigenständigen Parish geweiht wurde
… ein in Deutschland unbefriedigtes Verlangen nach frischen Mangos und Idly (ufo-förmige, weiße Bällchen aus einem auf Reis basierenden Teig, meine absolute Lieblingsspeise).
Ich hatte einen tüchtigen Mangolieferanten…
…weshalb ich immer welche auf Vorrat hatte!
Danke, Samy!
Die Fathers nannten mich „squirrel“/Eichhörnchen…
Meine letzte Mango in Indien
Idly!!!
…
mehr Sicherheit im Begleiten von Liedern auf dem Klavier.
… die
Gelassenheit, dass alles schon gut werden wird.
…
Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, die ich im letzten Jahr oft
austesten durfte.
… ein Lächeln beim Gedanken an dieses unvergessliche Jahr.
… ein gebrochenes Herz, weil ein Teil davon immer bei den Menschen in Kuppayanallur und Chennai bleiben wird.
My last time as ELT-teacher
Mir zuliebe wurde eine Abschieds-ELT-Assembly veranstaltet, wobei sich alle mal wieder sehr ins Zeug gelegt haben. Ein letztes Mal durfte ich den Prayer-Song einstudieren, ein Theaterstück schreiben und mit 20 SchülerInnen proben, auf den letzten Drücker noch einen „Western Dance with English song“ aus dem Hut zaubern, Gedichte und Reden mit den Kindern Auswendiglernen…
My dancing queens
Es tat gut, noch einmal beschäftigt zu sein, bevor mein Freiwilligenjahr zu Ende geht, auch wenn ich vor lauter Programmpunkten meine Abschiedsrede aus Zeitmangel nicht mehr vorbereiten konnte… Also habe ich aus dem Bauch heraus erzählt, was mir auf dem Herzen lag, das hat mit indischer Spontanität sehr gut funktioniert. Es ging darum, was einen Ort zu meinem zu Hause macht, nämlich Erinnerungen, Beziehungen und das Gefühl, ein Teil der großen Familie zu sein, wo ich geborgen bin. Während ich diese Punkte ausführte, musste ich um Fassung ringen, und es ging nicht nur mir so. Wie betäubt wurde mir klar, dass ein Jahr so schnell vergangen ist und jetzt wohl wirklich das Ende naht! Nie habe ich so viele Tränen vergossen wie am letzten Morgen mit meinen unglaublichen Mädels…
Ehrung mit Schal
Und eine schöne Milton-Metallflasche für mich
Abschlussrede…
Deutschland
– so vertraut und fremd
Ich bin
nun schon einige Zeit wieder zurück in Deutschland und doch mit den
Gedanken oft noch ganz weit entfernt… Jede Nachricht aus Indien
macht mich unglaublich glücklich, denn es erinnert mich daran, dass
das vergangene Jahr wirklich stattgefunden hat und das Leben in
Kuppayanallur weitergeht. Der Alltag ist eine Falle, in die auch ich
hier im vertrauten Nürnberg wieder tappe. Da tut ein Wachrütteln
gut, denn ich habe einen neuen Blick auf so viele Dinge erlangt, den
ich jetzt nutzen möchte.
Wenn
ich durch die Nürnberger Straßen laufe, fragt eine Stimme in meinem
Kopf, wo sind die Hupen, die Tuktuks, wieso fahren alle rechts, es
ist so leer hier… aber gleichzeitig hat sich doch so wenig
verändert.
Wenn
ich im Supermarkt einkaufen gehe, macht mich die Flut an Plastik ganz
krank, die mir von den Regalen entgegen glitzert. Wo soll das
hinführen, wenn wir täglich ohne nachzudenken mindestens drei, wenn
nicht noch viel mehr Plastikverpackungen wegschmeißen (sei es eine
Flasche, eine Einkaufstüte, ein Müsliriegel-Papierchen,
Frischhaltefolie, eine leere Käseverpackung, etc.). Auch wenn das
„Problem“ nach dem Wegschmeißen im Mülleimer aus unserem
Sichtfeld verschwindet, so bleibt es doch noch Jahrzehnte oder sogar
Jahrhunderte auf dieser Erde, weil es sich kaum zersetzt. Jedes
einzelne Müsliriegel-Papierchen.
Wenn
ich in der Ubahn sitze, schauen alle auf Handys, sehen gehetzt oder
grimmig aus, alle in schwarz, weiß oder grau gekleidet. Kein
interessiertes Lächeln von meinen Sitznachbarn mehr, keine
Gelassenheit sondern nur noch Terminstress-Gesichter, kaum Farben,
keine Sarees. Diese Dinge vermisse ich wirklich sehr…
Wenn
ich auf Radtour bin, ein Schwimmbad besuche, einen Ausflug mache,
denke ich daran, wie sehr meine Mädels aus dem Gracy Hostel das
genießen würden. Wie viel Spaß sie dabei hätten. Denn solche
Freiheiten und Möglichkeiten wie ich sie hier in Deutschland
besitze, werden sie nie haben, weil sie auf einem anderen Flecken der
Erde geboren wurden. Meine Privilegien als westliche Frau wurden mir
in Indien, aber auch jetzt zurück in Deutschland, so stark bewusst.
Ich möchte, dass das Jahr in Kuppayanallur noch lange in mir weiterlebt und mein Handeln sowie meine Entscheidungen beeinflusst…
Mikka
Nandri
Ich
möchte mich bei der Jesuitenmission in Nürnberg ganz herzlich
bedanken! Durch Euch haben wir Freiwilligen diese einzigartige Chance
bekommen, ein Jahr anders zu leben. Wir können uns glücklich
schätzen, bei den Jesuiten immer ein Stück zu Hause zu sein. Danke
Sarah, für Dein offenes Ohr und dafür, dass man sich immer auf Dich
verlassen kann!
Auch, wenn es keiner von ihnen lesen wird, will ich ein ganz großes Dankeschön nach Tamil Nadu schicken, wo mich so viele Menschen herzlich aufgenommen, unterstützt und mich so akzeptiert haben, wie ich bin. Father Dominic, mein Mentor, war stets in väterlicher Sorge um mich und hat mir sehr viel Halt gegeben. Meine Jesuits in Kuppayanallur, die mir zu liebe ein Jahr lang Englisch beim Essen geredet haben, und ganz besonders Father Samy, von dem ich so viel lernen durfte. Unsere tollen Lehrerinnen haben sehr viel mit mir geteilt, Geschichten, Ideen, Sarees, Essen… Natürlich meine Mädels, die immer hinter mir standen und die dieses Jahr so unvergesslich schön gemacht haben.
Bedanken
möchte ich mich auch bei allen Lesern dieses Blogs, ich bin wirklich
sprachlos wie viele Leute hier fleißig mitgefiebert und sich auf
eine andere Welt eingelassen haben! Danke für euer Interesse, eure
Kommentare und für eure Offenheit.
Und schließlich Danke an meine Eltern, meine Freunde und Familie, denn ich konnte meine schönen, aufregenden, traurigen, wütenden, verwirrten, lustigen Momente immer mit euch teilen, wenn ich es gebraucht habe. Und auch Danke, dass ihr mich wieder so lieb hier bei euch aufgenommen habt, auch wenn ich mich vielleicht verändert habe!
Der Gedanke soll weiterleben
Ich wollte mit diesem Blog zum Nachdenken anregen, von ganz weit weg ein Lächeln auf eure Gesichter zaubern und selbst über das reflektieren, was ich erleben durfte. Hoffentlich ist mir das gelungen und die Geschichten und Erkenntnisse können in euch noch ein bisschen weiterleben.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal an das Spendenkonto für Kuppayanallur und auch auf die Spendenmöglichkeit für das Freiwilligen-Programm „Jesuit Volunteers“ erinnern. Es ist schon einiges an Spenden zusammengekommen. Ein riesiges Dankeschön vor allem an die Gemeinde St. Josef, die meinem Einsatz bei so vielen Gelegenheiten gedacht und in Aktionen wie dem Osterkerzenverkauf Spenden gesammelt hat! Aber es waren auch so viele Einzelpersonen, die etwas weitergeben wollten an meine Mädels und die vielen SchülerInnen der Loyola Higher Secondary School.
Sowohl Kuppayanallur, als auch Jesuit Volunteers können eure Unterstützung wirklich gut gebrauchen und werden jeden Euro gewissenhaft einsetzen. Ich füge noch einmal die Adresse der Spendenkonten an:
1) Um die Loyola Higher Secondary School und die Hostels in Kuppayanallur direkt zu unterstützen, sollte folgender Verwendungszweck angegeben werden: X38284 Samira Löw
2)
Für Spenden an das Freiwilligenprojekt Jesuit Volunteers lautet der
Verwendungszweck: X38000
Freiwilligendienst
Wer seine Adresse im Verwendungszweck mit angibt, bekommt eine Spendenquittung per Post zugestellt.
Pass auf meine Mädels auf, Gracy…
Romba Sandhosham meine Lieben, es war eine Freude, euch bei meinem Freiwilligendienst dabei zu haben! Macht es gut, eat well, take rest and may God bless you all…
Der Titel dieses
Beitrags mag ein wenig seltsam wirken, wenn man bedenkt, dass es ein
Reisebericht ist. Was dahinter steckt, wird sich im Laufe der
Erzählung, irgendwo zwischen Varanasi, Agra, Delhi und Chennai,
auflösen. Es wird ein etwas längerer Eintrag (und mir ist klar,
dass die anderen auch nicht gerade kurz waren… 🙂 ), also lest ihn
ruhig in Etappen.
Bevor wir beginnen möchte ich kurz meine Volunteer-ReisepartnerInnen vorstellen: Chiara, mit der ich die längste Zeit zusammen gereist bin, arbeitet in der Nähe von Madurai in einem Kinderheim und unterrichtet Englisch an einem College in der Nähe. Sie wurde von den Steyler Missionaren nach Indien gesendet. Abi und Samuel arbeiten in einem Kinderheim für Slumkinder in Chennai. Maria und Magda arbeiten in Kerala an einer Schule und unterrichten dort Englisch und Social Science. Die vier sind Volunteers der Franziskaner und haben Chiara und mich bis nach Varanasi begleitet, von dort haben sich unsere Reisewege dann getrennt.
Rätselraten im Zug
Am Abend des 29.04. trafen sich meine ReisepartnerInnen und ich am Bahnhof in Chennai. Chiara und ich wären um ein Haar zum falschen Bahnhof gefahren, doch das konnte durch einen Zufall gerade noch verhindert werden… Da wir unser Zugticket später als die anderen gebucht hatten, saßen Chiara und ich zwei Abteile entfernt von den anderen vier. Im Zug angekommen sind wir erst einmal ins Bett gegangen, schließlich war es schon Nacht. Vor uns lagen 2 Tage Zugfahrt, die überraschenderweise zu einer sehr angenehmen Zeit wurden. An Tag 1 haben wir uns zuerst mit einem Mann uns gegenüber unterhalten, nach einiger Zeit kam ein junger Typ dazu, der uns einfach so angesprochen hat. Lustigerweise war besagter Typ ein Brother der Jesuiten und mit drei seiner Companions (Brothers im gleichen Jahrgang) unterwegs! Die vier studieren gerade Philosophie in Chennai, kommen aber ursprünglich aus dem Nordosten Indiens. Mit ihnen haben wir uns die restlichen 2 Tage die Zeit vertrieben, mit Kartenspielen, Reden, Lachen, Tee trinken etc. Eine besondere Leidenschaft der Brothers waren Rätselfragen, und so verbrachten wir die Abende damit, uns gegenseitig mit Rätseln auf die Palme zu bringen. Nach 2 Tagen Zugfahrt konnten wir ein sehr positives Fazit ziehen (die trockenen Chapati im Zug mal ausgeschlossen), und haben uns schweren Herzens von unseren Brothers verabschiedet. Unser Urlaub ging ja danach eigentlich erst so richtig los!
Rettungsaktion bei Nacht
Unser erstes Ziel hieß Darjeeling, doch wegen einer großen Zugverspätung konnten wir am Abend leider kein Taxi mehr dorthin nehmen. Unser Zug kam in New Jalpaiguri an und wir wussten nicht so recht, wohin mit uns. Aber ich kann euch sagen, wer Verbindungen zu Jesuits hat, wird nicht auf der Straße sitzen, egal wo in Indien. Lydia, Jesuit Volunteer in Darjeeling, hat alle Hebel in Bewegung gesetzt (Danke nochmal!) und einen Father, den sie einmal zufällig an der Straße getroffen hatte, informiert. Der ist sofort in den Jeep gesprungen und hat uns abgeholt. Er arbeitet für das Krankenhaus „Jesu Ashram“ in der Nähe von NJP, wo wir für eine Nacht in Krankenhauszimmern übernachten durften. Er hat uns auch gleich noch Abendessen organisiert, es ist wirklich unglaublich, wie offen und hilfsbereit die Jesuiten sind! Am nächsten Tag hat er uns auf eine Krankenhaustour mit zwei australischen Freiwilligen geschickt und in dieser Zeit unseren Transport nach Darjeeling geplant. In diesem Sinne, ein herzliches Dankeschön an Father Vincent aus Jesu Ashram, den ersten unserer Engel auf dieser Reise.
Unser Nachtlager
Momos, Schals und Tee
Darjeeling hat uns mit einer willkommenen Abkühlung begrüßt, wir haben die brütende, stickige Hitze von Chennai hinter uns gelassen! Wir verbrachten unsere Tage vor allem mit Bummeln durch die schönen, gewundenen Straßen der Stadt, auf Jagd nach schönen Schals, Socken, dem besten Tee, Eis oder kunstvoll verziertem Schmuck aus Tibet.
Shops wie diesen gab es an jeder Ecke
Die Häuser sind sehr schön und ganz aufeinander gestapelt
Darjeeling liegt an einem Berghang…
Die Speisekarten der Restaurants warfen viele Fragen auf, Chowmein, Momos, Thukpa, was ist das alles? Über die 5 Tage haben wir uns munter durchprobiert, es gab aber auch Zeiten wo wir uns einfach nach Reis mit Sambar gesehnt haben. In Nordindien essen die einfachen Leute meistens Reis mit Dal und Gemüse, wir waren vor allem sehr begeistert von den leckeren Kartoffel-Bohnen-Zubereitungen. Ansonsten bekommt man eher fettiges Essen wie Frühlingsrollen oder gebratene Nudeln, das sind wir aus dem Süden nicht mehr gewohnt! Momos sind sehr bekannt für diese Gegend, es handelt sich um Teigtaschen, meist durch steam-cooking zubereitet, mit verschiedensten Füllungen. Perfekt als Fingerfood für den kleinen Hunger!
Dort hinten auf dem Teller könnt ihr die weißen Momos erkennen
Darjeeling liegt im Himalaya und ist umgeben von riesigen Bergen. Aufgrund von starker Bewölkung haben wir davon leider nur wenig gesehen, zweimal hatten wir aber Glück! Eines Abends sind wir hoffnungsvoll auf die Dachterrasse der Hayden Hall (Soziale Einrichtung der Jesuiten für arbeitende Frauen und ihre Kinder) gestiegen. Wir haben die Wolken angefeuert, uns wenigstens einen Blick auf den Kanchenjunga zu gewähren, den dritthöchsten Berg der Welt. Und es hat sich gelohnt, nach einiger Zeit tat sich eine Lücke in den Wolken auf und wir sind staunend auf dem Dach geblieben, bis die Sonne untergegangen war. Darjeeling bei Nacht ist wunderschön, als gäbe es einen zweiten Sternenhimmel direkt im Berg.
Das war der Dorfplatz in Wolken…
… und das unser täglicher Ausblick vom Aussichts-Rundweg
Unser malerischer Abend auf dem Dach
Und der zweite Sternenhimmel
Allein für den Ausblick lohnt sich ein Besuch!
Einen zweiten Anlauf haben wir eines Morgens um 2 Uhr gestartet, als wir zum Tigerhill aufgebrochen sind, umgeben von Dunkelheit und den tausenden glitzernden Lichtern der Sterne und des Berges. 3 h Wanderung später haben wir erschöpft den Gipfel des Berges erreicht, wo es eine riesige Aussichtsplatform für den Sonnenaufgang gibt. Glücklicherweise hat das Himalaya uns auch an diesem Tag einen Gefallen getan und seine Schönheit offenbart, wir haben ein fantastisches Lichtschauspiel in weiß, gelb, orange, rosa, rot beim Kanchenjunga beobachtet und in der Ferne sogar den Mount Everest gesehen! Das haben wir dann erst einmal mit dem „Gipfel-Fuse“ gefeiert (Fuse ist ein sehr leckerer Schokoriegel).
Die Sonne kommt…
Das ist der Kanchenjunga
Und unser Fuse, nachdem die Wolke zurückkam…
Weitere wunderschöne Erfahrungen haben wir im Strive Kindergarten gesammelt, Lydias Arbeitsstelle (Jesuit Volunteer in Darjeeling; sie hatte mich mit Sophie im Januar besucht). Ihre Kinder sehen ganz anders aus als meine, im Norden Indiens haben die Menschen einen sehr asiatischen Look. Selbst viele Inder halten die Menschen aus Westbengal oft für Ausländer, obwohl sie genauso Inder sind wie Menschen aus Kerala oder Tamil Nadu oder Gujarat oder Delhi etc. Zurück zu den Kindern: sie sind einfach nur zum Knuddeln, so unglaublich süß und tapsig, im Nu haben sie unser Herz erobert! Sie stammen aus schwierigen Verhältnissen und deshalb ist es so schön, dass die Zeit im Strive ihnen hoffentlich einige sorglose Stunden bereiten kann. Lydia macht so viel Quatsch mit den Kleinen und man sieht, dass sie und auch die Kinder so viel Freude aneinander haben!
Ein weiterer Unterschied zu Tamil Nadu waren die Tempel. Im Süden wimmelt es nur so von hinduistischen Tempelstädten und kleinen Haustempeln, im Himalaya begegnete uns aber eine andere Weltreligion: der Buddhismus. Wir haben mehr als eine Monastery besucht, wo buddhistische Mönche in jedem Alter zusammen leben und beten. Die Gebetsfahnen, die sich bunt im Wind wogen und die Straßen und Tempel schmückten, waren ein ganz neues Bild für uns.
Endlich wieder ein Klavier!
Von Darjeeling ging es in ein Taxi gequetscht weiter nach Kalimpong. Uns hat immer wieder erstaunt, wie viele Menschen in so ein Auto passen können, einer hatte immer den Schaltknüppel zwischen den Beinen… Die Fahrt wollte kein Ende nehmen, es ging sehr kurvig auf- und vor allem abwärts, die steigende Temperatur deutlich spürbar. Endlich kamen wir mit etwas flauem Magen in Kalimpong an, wo wir ein Hostel im Stadtzentrum gebucht hatten… dachten wir jedenfalls. Als uns ein weiteres Taxi immer weiter aus der Stadt heraus brachte, wurden wir nachdenklich. So zentral wie gedacht war unsere Unterkunft wohl nicht, aber letztendlich war es ein nettes Häuschen mit einer sehr schönen Dachterrasse.
In Kalimpong haben wir Sophie getroffen, die ihren Einsatz als Jesuit Volunteer an der Gandhi Ashram School leistet. Es ist eine English Medium School, an der alle SchülerInnen ein Instrument lernen. Nach so vielen Monaten habe ich endlich wieder ein richtiges Klavier spielen können, das war so schön! Wir durften sogar bei einer von Sophies Klavierstunden dabei sein und mithelfen, das hat sehr viel Spaß gemacht, zumal ihre Schützlinge wirklich ausgezeichnet Englisch sprechen! Sie hat sich richtig kreative Unterrichtsmethoden einfallen lassen und die Kinder lernen sehr viel von ihr!
Die Schule selbst hat unsere Münder ein wenig offen stehen lassen! Aufgrund eines Erdrutsches wurde die alte Gandhi Ashram School zerstört und musste neu errichtet werden, die Neubauten sind so schön und modern, es werden gerade noch weitere Musikräume errichtet. Einen malerischen Ausblick hat man ebenso, wenn es nicht gerade wolkig ist… Was für uns auch komisch war: die Kinder und Erwachsenen trugen meistens westliche Kleidung, genau so wie an den meisten anderen Orten, die wir im Norden besucht haben. Farbexplosionen von Sarees und Chudidars gab es auf den Straßen nicht. Wir in unseren bunten tamilischen Gewändern sind dort als Südinderinnen aufgefallen…
Ausblick von Sophies Balkon, beim weiter entfernten Gebäude beginnt das Schulgelände
Abi, Samuel, Maria und Magda sind zwei Tage früher aus Kalimpong abgereist, als Chiara und ich. Die letzten beiden Nächte verbrachten wir beiden im Haus eines Lehrers von der Gandhi Ashram School. Seine Frau war super lieb aber konnte nur wenig Englisch, so mussten wir mit den zwei, drei Wörtern auskommen, die wir in Nepali gelernt hatten. Doch ihre Herzlichkeit wurde davon nicht gemindert, sie bekochte uns mütterlich und machte einen sehr guten Tee. Wir sind durch die Dörfer und Wälder in der Gegend geschlendert, haben uns fast verlaufen, besuchten mit Sophie noch eine weitere Monastery, fühlten uns in dem angenehmen Klima wohl und verspeisten ein letztes Mal die leckeren Bohnen und Kartoffeln.
Wandern in der Natur kann man sehr gut im Himalaya!
Dann mussten wir auch von Sophie schon wieder Abschied nehmen, denn es ging für uns weiter nach Varanasi.
Heiß, heißer, am heißesten
Empfangen wurden wir
in Varanasi von einer Schar an Rikscha- und Taxifahrern, die uns alle
mitnehmen wollten. Wir fanden uns umringt von mindestens 8 Männern,
die alle fragten „Where are you going, Mam? Taxi, Mam?“ und nicht
locker ließen. Chiara und ich hatten einen Anflug von Tamil
Nadu-Heimweh, wo die Rikschafahrer ein „Nein“ akzeptieren und
dich in Ruhe lassen. Aber wir waren eben nicht mehr im Süden…
An unserem ersten Tag in dieser besonderen Stadt trafen wir noch einmal auf Abi, Samuel, Maria und Magda, die uns den besten Lassi-Laden der Gegend zeigten und uns erklärten was „Ghats“ sind, bevor sie am Abend ihren nächsten Zug weiter in den Westen erwischen mussten. Ghats stellten sich als Treppen heraus, die in den Ganges führen und als Badestellen genutzt werden.
Varanasi vom Dach einer Moschee
Der wirklich beste Lassi der Reise
Blick aus unserer Fahrrad-Rikscha
Hier wurde fleißig gebadet und gewaschen
Unser Hostel befand sich am „Assi-Ghat“, ein wenig entfernt vom Stadtzentrum. Gleich am ersten Tag machten Chiara und ich uns auf zum Toten-Ghat, wo die Leichen-Verbrennungen stattfinden. Ein gläubiger Hindu möchte, wenn er einmal gestorben ist, im Ganges beigesetzt werden. Ein Problem: Man hat nur 24 Stunden Zeit, den Körper vom Todesort dorthin zu bringen, was in den meisten Fällen sehr schwierig ist und es sich deshalb vor allem reichere Leute leisten können. Viele alte Hindus ziehen nach Varanasi um, wenn sie merken, dass es mit ihrem Leben zu Ende geht, denn dann sind sie gleich vor Ort, wenn es passiert. Die Verbrennung ist eine große Zeremonie mit festen Abläufen. Wir trafen einen Mann, der uns sehr viel darüber erzählt hat. Als einzige Frauen beobachteten wir die Verbrennungen (und fühlten uns deshalb auch ein wenig unwohl), denn die weiblichen Angehörigen des Toten dürfen nicht mit zum Toten-Ghat. Ihr Weinen und Wehklagen soll angeblich die Seele des Toten davon ablenken, sich ganz dem Nirwana hinzugeben.
Unsere weiteren Tage in Varanasi lassen sich sehr kurz zusammenfassen: Schwitzen; darauf warten, dass die Klimaanlage im Hostel angeschaltet wird; antriebslos nach etwas zum essen suchen; sich darüber aufregen, dass wir uns zu nichts aufraffen können; schlafen. Nur Abends, wenn sich die Stadt abgekühlt hatte, erwachten unsere Lebensgeister und wir beobachteten die Anbetungszeremonien für die Göttin des Ganges. Dabei wurden Gegenstände in Kreisbewegungen zu lauter Musik geschwenkt. Feuerschalen in allen Größen, Muscheln, Blumen, Staubwedel…
Zuschauer auf dem Ganges
Die Staubwedel
Die Shiva-Schlangen-Feuerschalen
Die großen Menschenmassen waren auch ein wenig anstrengend….
Ein Besuch beim bekannten Goldenen Tempel durfte auch nicht fehlen, kostete aber all unsere Kräfte. Wir mussten einmal um die gesamte Anlage herumlaufen, bevor wir den Eingang für „foreigners“ gefunden hatten, dafür, dass wir einen aus unserer Sicht gewöhnlichen Tempel vorfanden mit einer winzigen goldenen Kuppel. In der Hitze konnten wir die Besonderheiten des Tempels wohl nicht so sehr wertschätzen…
Am letzten Morgen wollten wir einmal früh aufstehen und eine Bootstour beim Sonnenaufgang machen. Um 5 Uhr morgens feilschten wir also mit übermütigen Rikschafahrern um einen fairen Preis zum Main-Ghat, als unsere Rettung auftauchte. Ein Kanadier und ein Israeli kamen uns zur Hilfe, als sie uns umringt von vier Fahrern sahen, die alle einen anderen Preis riefen. Die beiden Jungs waren auch unterwegs, um eine Bootstour zu machen, am Assi-Ghat gleich nebenan. Also schlossen wir uns zusammen und ließen die verwirrten Rikschafahrer einfach stehen. Mit Chandler und Geva verbrachten wir einen schönen Morgen auf dem Fluss und beschlossen, uns in Agra wieder zu treffen, wo wir alle als nächstes hinfahren wollten.
Sonnenaufgang auf dem Ganges
In der Ferne kann man den Toten-Ghat erkennen
Es war wirklich malerisch…
Für Chiara und mich wurde es am Bahnhof noch einmal spannend… Aufgrund von widersprüchlichen Gleisansagen für unseren Zug sprangen wir zuerst aus einem anfahrenden Zug, erwischten gerade noch das Ende der Plattform, entschieden uns um und liefen schwer bepackt neben demselben Zug her, nur um wieder aufzuspringen. Wir fühlten uns wie James Bond mit Astronautenrucksack… Zurück im Zug quetschten wir uns rennend durch alle Abteile auf der Suche nach einem Zugschaffner. Die Suche endete erfolglos vor einer verschlossenen Tür, aber glücklicherweise hielt der Zug genau in diesem Moment an, noch immer im gleichen Bahnhof. Wir sprangen wieder hinaus und stellten fest, dass unser eigentlicher Zug vom Gleis gegenüber abfährt. Unsere Nerven waren gut gespannt aber wir hätten nicht glücklicher sein können, nun doch im richtigen Zug zu sitzen.
Ein bisschen traditioneller Tourismus muss schon sein…
Selbst in Indien glauben viele Menschen, das Taj Mahal würde in Delhi stehen… aber eigentlich befindet es sich in der kleinen Stadt Agra, ca. 3 Zugstunden entfernt von der Hauptstadt. Wir machten uns voller Vorfreude auf zu Indiens Wahrzeichen schlechthin. Das pure Weiß des Marmors strahlte uns schon durch das Westtor entgegen und wir staunten über die Atmosphäre, die das Gebäude durch seine Größe und Architektur kreiert. Bisher hatten wir auf der Reise eher weniger „normalen“ Tourismus betrieben, doch das Taj Mahal war natürlich überlaufen von Touristen aus der ganzen Welt, auch aus Indien selbst. Wir knipsten viele Fotos, wie eben alle um uns herum, auch ins Innere kann man hineinschauen. In der Grabhalle, wo die berühmte Gattin des Großmoguls Shah Jahan beigesetzt wurde, herrscht eine ganz besondere Akustik. Links neben ihrem zentral liegenden Grabstein befindet sich ein weiteres Grab, das die perfekte Symmetrie des gesamten Gebäudekomplexes zerstört… Der Großmogul hatte eigentlich geplant, für sich selbst einen schwarzen Taj Mahal zu bauen, baugleich zum weißen, direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. So würde er immer in der Nähe seiner Lieblings-Gattin sein. Doch der Bau des weißen Grabmals hatte die Staatskasse so erschöpft, dass sein Sohn dieses zweite Projekt stoppte, seinen Vater in dessen letzten Lebensjahren in ein Zimmer mit Blick auf den Taj Mahal einsperrte, und ihn neben seiner Toten Frau in besagter Grabhalle bestatten ließ.
Reingehen durfte man nur mit Schuh-Schutz
Von Nahem konnte man die arabischen Verzierungen erkennen
Hier gegenüber sollte ursprünglich der schwarze Taj Mahal entstehen
Im Garten des Taj trafen wir wie verabredet die zwei Jungs von der Bootstour wieder. Unser Kanadier hatte sich leider den Magen etwas verdorben und war ganz blass um die Nase. Die üblichen „One Selfie, Sir, Mam, only one photo please“- Überfälle, an die man sich als Weiße/r in Indien gewöhnen muss, konnte er, geschwächt wie er war, nicht so effektiv abwenden, wie wir anderen. Deshalb setzten wir eine kreative Methode ein: Wenn einer von uns um ein Foto gefragt wurde (das uns mit dem Fragenden und seiner Familie zeigen sollte), antworteten wir: „Ten Rupees“, zehn Rupien. Darauf folgte meist ein verwirrter Blick, dann ein Kichern, unsicher ob wir das ernst meinen oder nicht. Durch die ten-rupees-methode kann man jedoch einfacher um Fotos herumkommen, ohne jemandem vor den Kopf zu stoßen!
Nach einem Lassi mussten wir uns dann ein zweites Mal von unseren Freunden verabschieden, wir konnten nicht ahnen, wie bald wir sie schon wiedersehen würden…
Krise um Mitternacht – unsere Engel
Für uns sollte es am Abend mit einem Zug weitergehen nach Bangalore, wo zwei deutsche Freundinnen von Chiara und Larissa (eine weitere Freiwillige) auf uns warteten. Während des Tages war uns allerdings schon aufgefallen, dass unsere Zugtickets noch nicht confirmed waren, das bedeutet wir standen noch auf der Warteliste für einen Platz im Zug. Verwirrt rief ich in Kuppayanallur bei Dhilip Sir an, der bei so etwas immer weiter weiß. Er beruhigte mich, wir würden vermutlich erst drei Stunden vor der Abfahrt eine SMS mit den Plätzen bekommen. Als mich dann, zwei Stunden vor Abfahrt, aber sein Chef, Father Vincent, anrief, wurde mir klar, da ist etwas schiefgelaufen… Er erklärte mir, was wir für Möglichkeiten hätten, mit wem wir reden sollten am Bahnhof, dass schon alles gut werden würde. Mitsamt Gepäck und Essen für die zweitägige Fahrt machten wir uns also auf zum Bahnhof Agra Fort, den wir wohl nie vergessen werden. Wir klapperten jedes Büro ab, das um 10 Uhr nachts noch offen hatte, rannten von links nach rechts, denn jeder Beamte schickte uns zum nächsten Office, das angeblich für uns verantwortlich wäre. Das Foreigner-office hatte leider schon geschlossen, aber schließlich fanden wir einen jungen Bahnmitarbeiter, der Mitleid mit uns hatte. Er wartete am Gleis mit uns und sprach mit dem Zugschaffner unseres Zuges, ob es nicht doch noch zwei Plätze gebe. Leider waren zu dieser Zeit Wahlen in Nord-Indien und das Militär, das von Bundesstaat zu Bundesstaat zur Beaufsichtigung reist, hatte alle Züge ausgebucht. Keine Chance!
Wir wussten nicht so ganz wohin mit uns, geschockt, dass wir wohl nicht so schnell nach Bangalore kommen würden, wie gedacht. Wir wollten es im nächsten Zug noch einmal versuchen, hatten ein General-Ticket gekauft und stellten uns auf zwei ungemütliche Tage im Sleeper-Abteil ein. Als besagter Zug jedoch einfuhr, tauschten Chiara und ich einen Blick und hatten schon entschieden, dass wir das nicht durchhalten. Der Zug war so überfüllt, dass die Menschen auf den Gepäckablagen saßen und im Gang standen. Bei aller Achtung des „einfachen Lebensstils“, das brachten wir einfach nicht über uns. Nicht 42 Stunden lang. Überfordert standen wir am Gleis, als uns der zweite Engel unserer Reise über den Weg lief. Er verstand unser Problem, sorgte dafür, dass wir das Geld für das General-Ticket zurückbekamen, bestellte uns ein Taxi, wimmelte alle Selfie-Anfragen an uns ab und wollte im Gegenzug: nichts. Nicht mal ein Selfie. Wir kontaktierten unterdessen Geva, unseren israelischen dritten Engel. Er wusste von unserer Krise und war bis ein Uhr nachts aufgeblieben, damit wir ihn zur Not erreichen können. Dann buchte er uns ein Zimmer in seinem Hostel, wo uns das Taxi dann nach Mitternacht hinfuhr. Der Hostel Besitzer zeigte uns das Zimmer, wo bereits drei Betten von Schlafenden belegt waren, indem er alle Lichter anschaltete und lauthals verkündete, wo unsere Betten seien. Schnell knipsten wir alle Schalter wieder aus und schlüpften leise ins Bett, unsere armen Zimmernachbarn! Am Morgen stellten wir fest, dass es sich um Geva, Chandler und einen deutschen Reisenden handelte 😀
Jetzt hieß es, nach Alternativen zu suchen. Alle Züge in den nächsten zwei Tagen waren ausgebucht, Busse fuhren nicht direkt, nicht einmal von Delhi aus, so hätten wir mindestens drei Tage gebraucht. Das Problem: Chiaras Freundinnen waren noch nie in Indien gewesen und warteten auf unsere Ankunft in Bangalore, wir wollten sie dort nicht so lange alleine lassen… nach Flügen suchten wir auch, aber die waren einfach zu teuer, so kurzfristig. Und wieder half uns Geva: „In Varanasi we met a guy in a bar. He is rich, he owns a company, maybe he can help you“. Wir waren etwas skeptisch… Wieso sollte uns ein reicher Inder helfen, den unser israelischer Bekannter ein einziges Mal getroffen hat? Trotzdem versuchten wir es, besagter reicher Inder rief uns zurück, nachdem sein Meeting beendet war. So machten wir Bekanntschaft mit Dave, unserem vierten Engel. Zwischen seinen zahllosen Besprechungen und Terminen suchte er nach billigeren Verbindungen und buchte schließlich eine von Delhi nach Chennai nach Bangalore. Wir hatten ihn noch nie gesehen, aber er hat die Situation für uns gerettet. Den ganzen Tag standen wir mit ihm in Kontakt, fuhren mit einem Zug nach Delhi und hielten am Abend unsere Tickets in Händen. Die Nacht verbrachten wir bei den Jesuiten in Delhi, die ich über eine Freundin aus Chennai kontaktierte. Am nächsten Tag bekamen wir eine Führung durch das Sozialinstitut der Jesuiten und konnten Delhi mit zwei jungen Mitarbeiterinnen erkunden, dann machten wir uns auf zu Chiaras Freundinnen.
Lotus Tempel in Delhi
India Gate
Wir haben auch das Parlament und Ministerien besucht… von außen
Das ist die Straße, die zum Parlament führt
In unserem Bezirk wirkte Delhi sehr grün….
Vielleicht versteht ihr jetzt ein wenig, warum wir den Glauben an die Menschheit in diesen Tagen gewonnen haben, wo uns so viele Menschen bedingungslos weitergeholfen haben, einfach, weil wir Hilfe brauchten. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass wir Ausländerinnen und Weiße sind, aber trotzdem hätten wir das nie so erwartet! Danke an alle, die uns aus diesem Schlamassel befreit haben, wir werden uns immer an euch Engel erinnern!
Zurück in den Bergen
Nachdem wir Chiaras Freundinnen Yvonne und Paula, sowie Larissa (Freiwillige in Bangalore) abgeholt hatten, machten wir uns auf den Weg nach Kodaikanal. Das ist eine Stadt in der südlichen Bergregion von Tamil Nadu. Bekannt ist sie für angenehmes Klima in den Sommermonaten und für Kaffee. Wir fühlten uns sofort wohl bei angenehmen 25 °C, unser Hostel war wieder einmal etwas außerhalb auf einem der vielen Berge. So liefen wir manchmal eine Stunde bis hinunter in die Stadt. Aber endlich hatten wir unsere Idlies und Dosai zurück, hörten Tamil in den Straßen, konnten uns verständigen und sahen wieder bunte Chudidars, Sarees und Jasminblumen, soweit das Auge reicht. Wir machten zwei Touren, wobei wir die Umgebung erkunden konnten und zahlreiche Aussichtspunkte besuchten. Bei der Dolphin‘s Nose, einer sehr steilen Klippe, wurden wir von Affen attackiert und rannten schreiend weg, als die Tiere so dreist wurden, an unseren Taschen zu ziehen… Wir hatten sowieso Respekt vor ihnen, seit wir in Darjeeling einen Affen beobachtet haben, wie er einen Spaziergänger ins Bein biss.
Blick auf Kodaikanals Hauptstraße
Von unserer Dachterrasse aus
An Panorama fehlte es uns auf der Reise wirklich nicht…
Dolphin’s nose…
… ist schon sehr steil!
Die frechen Affen
In unserer kleinen Gruppe hatten wir sehr viel Spaß und die Anzahl an Dosais, die wir verspeisen konnten, wuchs täglich, sehr zur Belustigung der Köchin unseres Stamm-Imbisses. An einem Tag wurden wir sogar zum Essen in einen Tempel eingeladen, wo gerade ein Fest stattfand. Chiara und ich waren natürlich nicht überrascht, dass uns mal wieder Biriyani auf die Bananenblätter geschöpft wurde! Wir haben sehr viele Mangos verschlungen, wichtige Kaufentscheidungen über wunderschöne Kleider und Ponchos getroffen und noch einmal richtig schön die Seele baumeln lassen! Dann mussten alle außer Yvonne und mir auch schon wieder heimfahren, unsere gemeinsame Reise, die uns über so viele Wochen zusammengeschweißt hat, war zu Ende.
Ein kleines Andenken haben Chiara und ich uns noch gegönnt… Seit ich in Indien angekommen bin, wurde ich von meinen Mädels überzeugt, dass Ohrlöcher schon etwas sehr Schönes sind. In Kodaikanal haben wir die Piercerin unseres Vertrauens gefunden und so habe ich jetzt meine ersten Ohrlöcher, Chiara hat ein zweites Ohrloch links 🙂
Zen-Meditation in einem Flecken Paradies
Mit Yvonne verbrachte ich noch eine wunderschöne Woche länger in Kodaikanal, im Zen-Meditations-Center „Bodhi Zendo“. Er wird von zwei Jesuiten geleitet, den beiden einzigen zertifizierten Zen-Meistern in Indien. Wie das Christentum und die Buddhistische Zen-Meditation für die beiden zusammenspielen ist sehr beeindruckend, auch wenn ich immer noch nicht ganz verstanden habe, wie das geht. Der Center liegt ganz abgeschieden auf einem Berg, der Ausblick ist malerisch und die Gärten sowie die Umgebung sind wunderschön angelegt. Es hat mich gar nicht gewundert zu erfahren, dass mein pflanzenfanatischer Father Samy aus Kuppayanallur zwei Jahre dort gelebt und selbst viele der Bäume und Blumen gepflanzt hat… Die Anlage ist umgeben von einer riesigen Kaffee- und Bananenplantage. Es war das erste Mal, dass ich gesehen habe, wie Kaffeebohnen eigentlich wachsen.
Ausblick von unserer Terrasse
Junge Kaffeebohnen
Und eine erwachsene Kaffeebohne, die leider von einem Wurm bewohnt war…
Der Innenhof von Bodhi Zendo ist zu schön um wahr zu sein
Diese beruhigende, naturnahe Atmosphäre hat sehr bei der Meditation geholfen, wobei man einen Zustand des möglichst-wenig-Nachdenkens anstrebt. Er soll nicht erzwungen werden, Gedanken, die kommen und gehen, werden zugelassen. Die Einheiten waren jeweils zwischen 30 und 60 Minuten lang, wobei nach einer halben Stunde immer 5 Minuten gehende Meditation eingeschoben wurde.
Was mir dort am besten getan hat, war die viele Zeit, in der ich keine Verpflichtungen hatte, mich um nichts sorgen oder etwas vorbereiten musste, in der ich ohne schlechtes Gewissen drei Stunden lesen konnte oder schlafen oder nachdenken in einem der schönen Gärten. Es ist so viel passiert in den letzten Monaten, dass eine Pause sehr gut tut. Diese schöne Oase der Ruhe wieder zu verlassen fiel mir einerseits schwer, andererseits wollte ich nichts mehr, als endlich wieder nach Hause ins Hostel zu kommen und alle wiedersehen!
Gelesen habe ich viel…
Wieder daheim…
Auf der Busfahrt von Kodaikanal zurück nach Kuppayanallur regte sich in meinem Bauch ein aufgeregtes Kribbeln! Morgen früh würde ich endlich wieder zurück sein, meine Mädels sehen, Manimala in die Arme fallen, wieder im Hostel einziehen… Als ich durch das Eingangstor trat, musste ich an das erste Mal denken, als ich mit dem Auto hier ankam. Die Allee mit Palmen, der Weg zum Hostel (wo ich jetzt meinen Coconut Tree stets im Blick habe), der sandige Vorplatz von Gracy Illam. Alles war noch genau wie vorher, nur ein bisschen trockener, denn der Mai hat keine Schauer gebracht, nur Hitze. Mir war klar, dass ich nun zum letzten Mal für lange Zeit hierher „heimkommen“ würde…
Die Mädels, Jesuiten und Lehrerinnen wiederzusehen war wunder, wunder, wunderschön! Wenn man jemandem nach langer Trennung wieder in die Arme fällt, weiß man erst, wie sehr man die Person wirklich vermisst hat! Wie groß hier alle geworden sind! Ich weiß, dass jeder Augenblick, den ich in diesem Land verbringen darf und durfte, ein unglaubliches Geschenk ist. Auch wenn meine Zeit hier bald zur Neige geht, ist es nicht ein Wunder, dass ich überhaupt hier bin? Jetzt gerade? Daran möchte ich denken, wenn ich beim Abschied frustriert und traurig bin…
Bald geht es weiter!
Es hat ja nun doch eine lange Weile gedauert, diesen Beitrag hochzustellen, verzeiht mir! Ich habe den abschließenden Blogeintrag über die letzten Kuppayanallur-Wochen und das Zurückkommen schon fertig und werde ihn (nach dem Bilder-Sortieren) in den nächsten Tagen hochladen. Gerade seid ihr wahrscheinlich erst einmal geplättet von einem Monat Indien querbeeet, das verstehe ich gut, denn so ging es mir auch:)
Ein kurzer Gruß zur Osterzeit aus Kuppayanallur an alle fleißigen Leser:)
Lenten Season
Die Fastenzeit und vor allem die Karwoche haben mir mal wieder vor Augen geführt, wie intensiv der Glauben an diesem Ort gelebt wird. In der Fastenzeit ist es üblich, an Freitagen das Frühstück ausfallen zu lassen und nur leichte, einfache Speisen an diesem Tag zu essen. Jeden Freitag ist „Way of the cross“, also Kreuzweg, bei dem die 14 Stationen von Jesu Leidensweg verlesen werden, zusammen mit Interpretation und Gebeten.
Palmsunday
Am Palmsonntag durfte ich mit Sister Gaspar nach Ongur, wo im Good Samaritan Hostel zunächst die Weihung der Palmzweige war, bevor wir dann in einer Prozession zur Kirche gelaufen sind. Da es in Indien sehr viele Kokosnuss-Bäume und Palmen gibt, hatten wir tatsächlich RICHTIGE Palmzweige in der Hand, manche auch ganze Bündel, die sie von ihren eigenen Bäumen mitgebracht hatten. Der Gesang der Prozession wurde von Lautsprechern übertragen, die an einem Motorrad befestigt und an die zwei Mikrofone angeschlossen waren. Das ist so typisch Indien, dass ich schmunzeln musste. Insgesamt war der Ausblick auf so viele bunt gekleidete Menschen mit ihren Palmzweigen in der Luft sehr besonders und wunderschön. Da es für alle Dörfer an Festtagen nur einen großen Gottesdienst gemeinsam in der Parish Church Ongur gibt, waren sehr viele Leute da und auch vier Priester. So wurde die Passion nur von Priestern gelesen und am Ende gab es noch eine halbe Stunde Ansagen, wie und wo und wann im weiteren Verlauf der Woche die Gottesdienste ablaufen werden.
Frauen gehen voraus!
Ich lief direkt neben Motorrad und dem Sänger
Maundy Thursday
Am Gründonnerstag wollten Manimala Miss und ich zur 18 Uhr-Messe, aber wir mussten noch auf die Kitchen-Amma (alle Köchinnen werden hier Amma, also Mutter, genannt) warten und dann musste Manimala unbedingt noch telefonieren, also sind wir erst um 6 Uhr losgelaufen nach Ongur. Der Weg dauert immer ca. eine halbe Stunde und ich war schon echt angespannt, weil ich zumindest beim Gottesdienst eigentlich gerne pünktlich wäre. Aber Manimala hat mich beruhigt, „Samira, it is Indian mass, don‘t worry it will start only at 7pm“… und natürlich hatte sie recht, wir waren um 6.30pm dort und haben noch eine halbe Stunde gewartet, bis genügend Leute da waren. Am Gründonnerstag waren auch gleichzeitig Wahlen in Indien, deshalb mussten wir noch auf Father Samy warten, der erst aus Madurai zurückkommen musste. Als dann alle da waren konnte es pünktlich um 7pm beginnen. Für mich eine große Besonderheit: die Fußwaschung aus dem Evangelium wurde hier tatsächlich praktiziert in der Messe. Aus jedem Dorf durften drei ausgewählte Gemeindemitglieder auf einer Bank vorne Platz nehmen und die drei anwesenden Jesuiten haben sich ein Handtuch umgewickelt und los ging es. Die Füße wurden mit Wasser gewaschen und die Jesuiten haben anschließend auch noch jeden Fuß geküsst. In Indien gelten Füße als etwas sehr Schmutziges und die Füße von anderen Leuten zu berühren ist die größte Geste der Unterwerfung, die ich hier erfahren habe. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Priester sich vor den Leuten hinknien und diese Fußwaschung mit einer solchen Hingabe begehen. Anschließend wurden Geschenke an die Auserwählten verteilt und sie wurden gesegnet. Danach sind alle Jesuiten durch die Reihe gegangen und haben sich selbst den Segen der Leute abgeholt. Die Frauen und Männer haben den Jesuiten die Hände aufgelegt und die Stirn geküsst, das habe ich so auch noch nie gesehen. Der Moment war so innig, besonders und magisch, es hat mich wirklich sehr berührt. Danach ging die Messe normal weiter und am Schluss wurden die geweihten Hostien wie bei uns in einer Prozession zum reich geschmückten Tabernakel in der kleinen Kirche gebracht. Die Gottesdienste der Karwoche finden aufgrund hoher Besucherzahl natürlich draußen statt.
Good Friday
Am Karfreitag ging der Kreuzweg diesmal pünktlich um drei Uhr los und viele waren zu meiner Überraschung in weiß gekleidet, während man in Deutschland an diesem Tag ja eher ausschließlich schwarze Kleidung sieht. Die 12. Station wurde bei drei Kreuzen verlesen, die in einer Ecke des Platzes aufgestellt worden waren.
Ansonsten wurde bei jeder Station ein Bild hochgehalten mit dem jeweiligen Ereignis. Ein großes Holzkreuz sowie zwei Kerzen und ein kleines Kreuz wurden auf dem Weg von Gemeindemitgliedern mitgenommen. Im Anschluss war die Messe und ich habe vor allem die Musik sehr genießen können, weil die Sängerinnen und Sänger wirklich talentiert waren. Die Passion wurde diesmal von Gemeindemitgliedern und Father Arul, dem Parish Priest, verlesen. Alle waren verkleidet, so hatte Pilatus beispielsweise eine rosane Papierkrone und einen grünen Mantel, Petrus ein rotes Gewand mit weißer Schärpe und Father Arul hat als Jesus einen purpurnen Mantel und eine Dornenkrone angelegt bekommen. Bei der Kreuzverehrung wurden drei Kreuze an verschiedenen Seiten um den Altar von jeweils einem Priester hochgehalten, denn es waren so viele Leute da, dass es mit einem einzigen Kreuz bestimmt zwei Stunden gedauert hätte. Jeder hat die Füße von Jesus geküsst oder sie mit den Fingerspitzen berührt und diese zum Mund geführt, deshalb wurde das Kreuz nach jeder Person mit einem Tuch abgewischt. Und es ist üblich, ein bisschen Geld in einer Schale neben dem Kreuz zu lassen, wenn man es verehrt hat.
Easter
Die Osternacht war genauso aufgebaut wie bei uns, erst wurde am Feuer die Osterkerze entzündet und das Licht an alle weitergegeben, die eine Kerze hatten, dann hat unser Schulleiter das Exsultet gesungen und es gab viele Lesungen.
Vor dem Evangelium wurde plötzlich dramatische, laute Musik gespielt und alle haben ihre Köpfe nach links gewandt, wo ein weißer Vorhang beiseite geschoben wurde und eine kleine Bühne mit Bäumchen und Blumen zum Vorschein kam. Eine Nebelmaschine wurde angeschaltet und aus einem Loch im Boden der Bühne kam eine Jesusstatue empor, deren Ankunft von einem kleinen Feuerwerk begleitet wurde. Danach ging der Gottesdienst weiter mit allem drum und dran. Heiligenanbetung, Wasserweihe, Tauferneuerung, das ganze hat von 11 Uhr bis um 3 Uhr morgens gedauert, weil auch noch Danksagungen und Verabschiedungen von einigen Jesuiten am Ende kamen. Dann wurden gekochte Eier und Kuchen an alle Leute verteilt und fröhliche, aber müde „Happy Easter“ Rufe schallten über den Platz.
In diesem Sinne wünsche ich allen ein gesegnetes Osterfest, genießt eure Ferien sofern ihr welche habt:)
Wie geht es weiter?
Ab dem 29.04. werde
ich mit einer Volunteer-Freundin per Zug und Bus Indien erkunden. Der
Mai ist der heißeste Monat, deshalb sind Ferien und alle schauen,
dass sie in Bergregionen „flüchten“, so auch wir… Darjeeling,
Varanasi, Agra, Bangalore und Kodaikanal sind unsere Ziele, auch wenn
wir das Ende der Reise noch nicht ganz fertig geplant haben. Es
bleibt also spannend bei uns, wir sind schon ganz aufgeregt!
Im Juni werde ich für einen Monat wieder nach Kuppayanallur zurückkehren, ich vermisse es jetzt schon und will meine Freunde, die Mädels und auch die Fathers wiedersehen, auf der Dachterrasse mit den Sternen einschlafen, lernen wie man Idlies macht, und so vieles mehr. Reisen ist spannend und wir sind privilegiert, so viele Orte besuchen zu dürfen, aber es ist auch gut zu wissen, dass man zu Hause wieder herzlich aufgenommen wird!
Apropos Dachterrasse…
Von der Aussicht und frischer Luft bekomme ich nie genug
Endlich habe ich mal wieder Zeit gefunden, einen neuen Beitrag für euch zu schreiben, bitte verzeiht mir die lange Pause. Die letzten Wochen waren sehr stressig, ereignisreich, wunderschön und bereichernd, es ist so viel passiert. Jetzt, Ende März, beginnt die letzte Klausurenphase in diesem Schuljahr, das bedeutet (zumindest für mich) weniger Arbeit. Die älteren SchülerInnen schreiben gerade ihre „Public Exams“, das ist wie das Abitur, nur schreibt man es hier dreimal, einmal in der 10., einmal in der 11. und nochmal in der 12., natürlich mit jeweils unterschiedlichem Stoff. Schon sehr bald sind sie damit fertig und verlassen die Schule und das Hostel, am 10.April ist dann auch für die Kleineren alles vorbei und sie gehen in die Ferien. Ich werde sie unglaublich vermissen, ohne SchülerInnen ist der Campus leer und traurig still. Ich weiß nicht, wer und wie viele Mädels nächsten Juni ins Hostel zurückkehren, deshalb ist es für mich jetzt schon wie ein Abschied… Aber spulen wir nochmal ein paar Wochen zurück in den Februar, denn da war noch alles voller Leben und in Aktion!
Neue alte Bekannte
Anfang Februar kamen zwei ganz besondere Besucher in Kuppayanallur an: Teresa und Freund Sebastian. Teresa hat 2016/17 wie ich für ein Jahr im Gracy Illam Hostel gewohnt und wollte nun ihre Freunde und die Mädels besuchen. Es war ein freudiges Wiedersehen und für mich war es auch wirklich schön, sie persönlich kennenzulernen. Wir hatten eine tolle Woche gemeinsam und haben uns über so viele Dinge ausgetauscht! Wenn ich eines Tages hier her zurückkehre und genauso herzlich und freudig von allen empfangen werde wie sie, wäre ich sehr glücklich. Ihr Besuch hat mir nochmal deutlich vor Augen geführt, dass es auch ein Leben nach dem Einsatz gibt (ich bin hier wie in einer Blase, da kann das schon mal in den Hintergrund geraten), aber dass man selbst entscheiden kann, was und wie viel man mitnimmt aus diesem ganz besonderen Jahr.
Meine akka (große Schwester) und ich 🙂
Bei der weißen Haut ist irgendwas komisch, da hat Henna zwei Farben…
ELT-Assembly
Während ihrem Besuch liefen auch die Vorbereitungen für die große ELT Assembly auf Hochtouren. Normalerweise habe ich eine Schulstunde pro Tag und ansonsten vormittags oder nachmittags frei. In den zwei Wochen vor der Assembly gab es aber so viel zu tun, dass ich nach dem kompletten Tag in der Schule und noch Gamestime, Evening Study und Night Study immer hundemüde ins Bett gefallen bin. Ich habe großen Respekt vor meiner Freundin Manimala Miss, die das jeden Tag ohne Pause durchzieht! Bei der Assembly war ich verantwortlich für einen Sketch, den Prayer Song und einen „Western Dance“ (=einfach ein Tanz zu einem englischen Lied mit „westlichen“ Tanzschritten, aber auf keinen Fall darf es anzüglich sein…). Den Sketch habe ich für ca. 20 SchülerInnen geschrieben und ich wollte Kinder aus allen drei ELT-Jahrgängen (6. bis 8. Klasse) dabei haben. Da es ein 15 min Theaterstück war, mussten wir sehr sehr viel proben, wir hatten ein einhalb Wochen Zeit. Da ich wirklich keine große Autoritätsperson bin, waren die meisten Proben sehr chaotisch, aber wir haben es gut über die Bühne gebracht und ich bin super stolz auf meine Kinder! Beim Prayer Song haben die Mädels leider in einer anderen Tonart angefangen (und sie bis zum Ende durchgezogen) als ich auf dem Klavier gespielt habe, aber was soll‘s. Kleinigkeiten wie diese gehören eben dazu in Kuppayanallur und ich habe gelernt, die Freude am Singen hinter den oft vielleicht etwas schiefen Tönen zu hören, wie es auch die anderen tun. Der Tanz zu „Can‘t stop the feeling“ wurde von mir und Manimala Miss gecoacht, aber weil sie den ganzen Tag im Office beschäftigt ist, habe ich in der Schulzeit mit meinen dürftigen Tanzkünsten alleine versucht, das Bestmögliche aus den Mädels rauszuholen. Erst zwei Tage vor der Assembly wurde entschieden, dass es überhaupt einen Tanz geben soll, deshalb mussten wir etwas schnelller vorankommen. Aber mit ein bisschen indischer Gelassenheit hat es doch super geklappt!
Geschäftiges Treiben hinter und auf der Bühne…
Probier‘s mal mit
Gemütlichkeit
„Inder haben ein
anderes Verständnis von Zeit, Pünktlichkeit ist ihnen eh egal“
Dieses Vorurteil ist mir viel begegnet, als ich mich auf meinen Einsatz vorbereitet und davon berichtet habe. Das Problem mit solch pauschalen und wertenden Aussagen ist, dass sie nicht in die Tiefe gehen und meist nur die negativen Seiten einer Sache beleuchten. An der Loyola H.Sec.School wird, wie an jeder deutschen Schule auch, sehr auf Pünktlichkeit geachtet! Jeder, der zu spät kommt, muss einen Apology letter schreiben und womöglich vor dem Klassenzimmer statt drinnen sitzen. Wenn im Hostel die Study Bell klingelt, springen alle auf und wuseln durcheinander, zum einen wegen dem durchdringenden und unangenehm lauten „Drrrrrrr“ der Glocke, zum anderen, weil jedem bewusst ist was für schwerwiegende Konsequenzen Zu-Spät-Kommen haben kann. Außerhalb des Schul- und Hostelalltags ist jedoch schon etwas von diesem angedeuteten „anderen Verständnis von Zeit“ zu spüren. Aber gar nicht unbedingt im negativen Sinne, es ist oft wirklich entspannt zu wissen, dass mein Gegenüber es mir kein Stück übel nimmt, wenn ich 10 Minuten später als verabredet auftauche. Es wird nicht mal erwartet, dass man um Punkt 6pm ankommt, wenn man sich für 18 Uhr verabredet hat. Das Leben ist viel weniger stressig wenn man nicht dauernd panisch auf die Uhr schauen muss. Ein dazu sehr passendes Bild ist entstanden, als mir irgendjemand in der Studytime einen rosa Smiley auf die Armbanduhr geklebt hat, sodass ich das Ziffernblatt nicht mehr sehen konnte. Erst war ich genervt und wollte den Sticker abmachen, dann dachte ich mir, genau so funktioniert Zeit hier! Warum ist es denn so wichtig, ob ich noch 10 oder 20 Minuten für etwas Zeit habe. So lange es mir dabei gut geht was ich mache, ist es doch viel schöner, von einem Smiley angelächelt zu werden, als ständig das ungnädige Ticken der Zeit vor Augen zu haben.
Inzwischen habe ich ihn wieder abgemacht:D
Und das Nicht-auf-die-Uhr-Schauen kann helfen, sich mehr Zeit für kleine Momente zu nehmen, vielleicht noch schnell jemandem ein Pflaster bringen oder eine Matheaufgabe erklären, obwohl man um 3 mit einer Freundin verabredet ist. Versteht mich nicht falsch, ich bin bis heute kein unpünktlicher Mensch geworden und ich bemühe mich wie immer, Zeiten einzuhalten. Man sieht mich auch von Zeit zu Zeit über den Campus rennen, wenn ich das Gefühl habe, ich wäre zu spät dran. Außer mir rennt nie jemand und oft wird mir gesagt „Slow, slow, you will fall“. Aber ich habe glaube ich trotzdem mehr Gelassenheit erlangt, z.B. falls es eben einmal nicht klappt, dass wir genau um 11:15 Uhr losfahren. In Deutschland entsteht nicht selten ein Streit wegen zu spätem Loskommens, hier wird erst gar kein Problem daraus gemacht. Ich will allerdings nicht leugnen, dass mein Inneres manchmal „Komm, ein bisschen schneller, schneller, schneller“ ruft, wenn ich mit Manimala irgendwo hingehe, und sie gemütlich noch ihre Haare fertig macht, dann gemächlich wie eine Königin die Treppen heruntergeht und nicht schneller als Schritttempo läuft. Meistens bin ich 5 Schritte voraus, bemerke, dass ich gerannt bin, renne wieder zurück, sage „sorry“ und denke „FASTER PLEASE!“, versuche mich ihrem Tempo anzupassen, renne wieder etc.
Eine kulinarische
Überraschung
Mein Mentor Fr. Dominic kam Ende Februar mit zwei Gästen aus UK nach Kuppayanallur und wir haben darüber geredet, was ich denn so vermisse an Deutschland. Neben meinen Freunden und meiner Familie ist mir vor allem eines eingefallen: richtiges, deutsches, hartes, dunkles Brot! Bei uns in Kuppayanallur gibt es jeden Sonntag „Brot“ im Fatherhouse, es ist wie Milchbrötchen in Toastbrot-Form und schmeckt süß! Seit 7 Monaten haben meine Fathers mich schon gefragt: „Na aber was ist denn jetzt eigentlich deutsches Brot?“, so wirklich gut konnte ich es aber nicht erklären. Die Gäste und Dominic sind dann weiter nach Pondicherry gefahren am Morgen. Meine Überraschung war groß, als er am Nachmittag wieder auf der Matte stand, diesmal mit einer großen Tüte! Heraus ragten zwei Baguettes, doch ich dachte das wäre nur Einbildung… Aber nein, die drei sind in Pondicherry extra für mich auf die Suche gegangen und haben eine Französische Bäckerei gefunden! Sie haben gefühlt von allem etwas mitgebracht, es war eine Wundertüte der europäischen Backkunst! Vollkornbrot, Weißbrot, Körnerbrötchen, Baguette, Fladenbrot, ich war ganz aus dem Häuschen:) Ich liebe die tamilische Küche wirklich, es gibt keinen Ort wo mehr Liebe und Verstand im Essen steckt, aber nach 7 Monaten Brotentzug hat mir diese Tüte wirklich ein großes Lächeln geschenkt.
Eine kleine Auswahl aus meiner Brottüte
So viel Brot konnte ich natürlich nicht alleine essen und so haben wir zum Frühstück diesmal echtes Brot und Brötchen gegessen und an einem Abend hat Father Samy mit dem Fladenbrot in der Mikrowelle Pizza gemacht (wir haben keinen Ofen). Hähnchen, Zwiebeln, Würstchen, Sandwich-Käse, Tomaten und Koriander sind vielleicht kein typisch italienischer Belag, aber geschmeckt hat es trotzdem!
Man nehme Fladenbrot, Sandwichkäse und was sonst noch dazu passt…
…mixe alles zusammen…
…schiebe es in die Mikrowelle und fertig!
Kurze Ergänzung zu den Gästen aus UK: ich habe mich inzwischen komplett eingehört im indischen Englisch, mir wird sogar nachgesagt ich hätte selbst ein gutes Indian English drauf. Die zwei Damen aus UK habe ich dagegen nur mit wirklich hoher Konzentration verstehen können, häufig musste ich noch einmal nachfragen. Nach dem Abendessen mit ihnen saß ich noch mit Father Dominic und Father Samy zusammen und Dominic fragte mich ganz verzweifelt: „Samira, verstehst du die wenn sie reden?“. Ich habe ehrlich zugegeben: „Nee, das ist so schwer!“, woraufhin er einen mitleiderregenden Blick aufgesetzt hat und mir erzählte, dass er eine GANZE Woche mit den Beiden unterwegs ist und meistens keine Ahnung hat, was sie ihm erzählen:D
Eine Auszeit zum
Austausch
Im Rahmen des Freiwilligeneinsatzes ist es Pflicht, ein Zwischenseminar im Einsatzland zu besuchen. Mein Zwischenseminar fand Ende Februar in Trichy statt, einer Stadt in Tamil Nadu. Meine Anreise war also relativ kurz, während andere aus dem Norden mehr als 2 Tage mit dem Zug dorthin gebraucht haben. Wir waren eine Gruppe von 23 Volunteers aus Deutschland, die alle für ein Jahr in Indien im Einsatz sind. Geleitet wurde das Seminar von drei TeamerInnen, die extra für uns aus Deutschland eingeflogen sind. Wir hatten eine intensive Woche zusammen, in der wir sehr viel geredet haben. Es tat so gut sich mit anderen auszutauschen, die in der gleichen Situation sind wie man selbst und wir haben die Zeit gut genutzt. Wir haben gegenseitig unsere Projekte kennengelernt und uns über Probleme aber auch schöne Erfahrungen unterhalten. Es gab so viel Raum für Gespräche, dass wirklich jeder seine ganz persönliche Situation erläutern konnte. An zwei Tagen haben wir auch ein bisschen Sight Seeing gemacht und zwei Tempel in Trichy (einer war auf einem großen Felsen mitten in der Stadt mit tollem Ausblick) sowie den Thanjavur Tempel und Velankanni besucht. Velankanni wurde mir schon von sehr vielen hier empfohlen, es ist ein Marienwallfahrtsort, dem viele Wunder im Zusammenhang mit Mother Mary nachgesagt werden. Es gab beispielsweise eine Flut und die einzigen Überlebenden waren die, die Zuflucht in der Basilika gefunden hatten. Oder ein Schiff mit portugiesischen Kolonialisten, das in Seenot war, soll in der Nähe des Strandes in Velankanni nach einer Erscheinung von Mother Mary gerettet worden sein.
Die Haupt-Basilika
Marienstatue bei einer Prozession zum Strand
Ich bin sehr dankbar für dieses schöne Seminar und die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen. Es war wie eine kurze Pause zum Durchschnaufen und den-Kopf-frei-machen.
Thanjavur Tempel
Es war eine wirklich große Tempelanlage…
Henna durfte auch da nicht fehlen, wir haben sehr talentierte Volunteers!
Da meine JV-Betreuerin Sarah das Seminar in Indien mitgeleitet hat, hat sie danach noch mein Projekt und auch die Einsatzstellen in Darjeeling und Kalimpong besucht. Zwei Tage lang waren wir beide direkt im Anschluss an das Seminar mit Fr. Dominic auf Erkundungstour in Tamil Nadu, er hatte wirklich viel vor mit uns. Wir sind nach Mahabalipuram, Kuppayanallur, Acharapakkam(Schrein bei dem ganz viele Wunder passiert sein sollen), Pondicherry, Vettavalam und Ranipet gefahren, dann wurde ich wieder in Kupp. abgesetzt und Sarah ist mit Fr. Dominic nach Chennai. Es waren sehr ereignisreiche und schöne Tage, natürlich habe ich mich aber auch wieder auf mein eigenes Bett und meine Kuppayanallur-Familie gefreut, die ich in den 12 Tagen sehr vermisst habe!
Strand von Mahabalipuram
Dort waren wir auch auf dem Leuchtturm und hatten gute Aussicht!
Home is where your
heart is
Mitte März kam schon wieder Besuch für mich, meine Eltern und Edith (aus St.Josef) haben die lange Reise nach Indien angetreten, um mein zweites Zuhause und diese ganz besondere Kultur kennenzulernen. Ich habe mich total gefreut sie zu sehen und ihnen alles zeigen zu können! Sie wurden auch schon sehnlichst erwartet, zwei Tage vor ihrer Ankunft fing es an, dass ich ununterbrochen von allen Mädels gefragt wurde, ob meine Eltern denn schon da wären. Ihr Ton wurde immer vorwurfsvoller, als würde ich meine Eltern in meinem Zimmer vor ihnen verstecken oder so:) Hunderte „My guests come on Friday iravu (=Nacht)“ später war dann endlich wirklich Freitag Abend und nach dem Kreuzweg, der in der Fastenzeit jeden Freitag stattfindet, saß ich beim Abendessen wie auf heißen Kohlen. Es gab „Kanchi“, was eigentlich nur Reis mit Wasser ist, aber Freitag ist immer „Fastentag“ und es gibt einfaches Essen (schmeckt trotzdem super). Die Jesuiten wollten meinen Gästen für ihr erstes Abendessen in Kuppayanallur aber doch etwas anderes als Wasserreis bieten, also wurden extra noch Nudeln und Dosai gemacht! Vier Tage waren meine Eltern und Edith bei mir in Kuppayanallur, haben die Schule und das Hostel gesehen, Lehrerinnen, Mädels und die Jesuiten kennengelernt und sind mit mir nach Ongur, Uthiramerur und Kanchipuram gegangen. Danach sind wir noch zusammen in Chennai gewesen für 3 Tage, bevor sie von dort wieder abgeflogen sind. Danke für euren Besuch ihr drei, es war wunderschön euch wieder zu sehen und in die Arme schließen zu können! Meine zwei „Zuhauses“ waren für eine kurze Zeit wie vereint…
Wir hatten ein nettes Abendessen mit Father Dominic 🙂
Alltags-Anektdoten
aus dem Gracy Hostel
Auch wenn so viele
„außergewöhnliche“ Dinge passiert sind in letzter Zeit, geht
das Leben im Hostel doch trotzdem Tag für Tag seinen normalen Lauf.
Aber jeden, und zwar wirklich jeden, Tag gibt es Momente, die mir in
Erinnerung bleiben, die mich zum Lachen oder zum Weinen bringen, die
wertvoll sind. Eines Tages im Februar haben die Kleinen (6. -8.) im
Hostel z.B. beschlossen: uns ist die Dutytime zu langweilig, jeder
fegt täglich sein eigenes Stück Boden wie vorher aufgeteilt, aber
es geht doch auch anders! Die Aufregung war groß, als Nishanti mit
einer neuen Idee ankam: joined duty, das heißt alle schließen sich
zusammen und die große Gruppe fegt den gesamten Vorplatz gemeinsam.
Das macht mehr Spaß und ist auch viel schneller, die Duty dauert
jetzt 10 min, während sich vorher die letzten manchmal eine halbe
Stunde gequält haben! In einem Kaufhaus habe ich neulich einen Satz
gelesen, der schön zusammenfasst, was die Mädels an jenem
Februartag gelernt haben: „None of us is as strong as all of us“,
keiner von uns ist so stark wie wir alle zusammen.
In der Studytime bin
ich jetzt vor allem für die 6.Klässlerinnen zuständig, was sehr
chaotisch ist weil sie wirklich alles tun außer lernen… ich muss
oft streng sein und sie auseinander setzen, weil sie ziemlich laut
sein können, aber das Problem ist, dass ich gleichzeitig eigentlich
auch lachen muss. Die Methoden, wie man unbemerkt Snacks von der
Schultasche in den Mund befördert, sind zahlreich und sehr
ausgereift, aber ich erwische sie trotzdem meistens! Oft macht
irgendjemand ein Pupsgeräusch nach und eine fängt an zu kichern,
daraufhin prusten auch die anderen los. Manchmal sprechen sie sich ab
und fangen alle gleichzeitig an zu weinen, natürlich nur gespielt,
um mir ein schlechtes Gewissen zu machen, dass ich sie zum lernen
ermahne. Aber nicht mit mir, kleine Kinder sind oft wirklich leicht
zu durchschauen. Meistens reicht es schon, wenn ich eine Grimasse
ziehe, und die Maske aus Tränen fällt in sich zusammen und wird zu
einem Grinsen. Haha, ertappt!
Die Klausur, die am
meisten Angst und Schrecken verbreitet, ist Mathe. Die Kleinen wollen
ständig Mal und Geteilt rechnen üben und ich soll ihnen
Übungsaufgaben stellen. Also kombiniere ich munter Zahlen und gebe
immer vier Rechnungen auf einmal. Meine jüngste Hostelschwester hat
ein ganz lustiges Problem beim Mal-Rechnen: sobald eine 1 vorkommt,
gerät bei ihr alles durcheinander. Während eigentlich für jeden
die Regel 1×1=1; 1×2=2; 1×3=3 etc. offensichtlich und einfach ist,
schaut sie mich immer verzweifelt an, wenn ich ihr eine Rechnung mit
einer 1 gebe und ruft: „Nooo Miss, no 1 please, this is collapsing,
pleeeeaase“. Wenn ich dann sage, sie müsse dann eben genau das
üben, vergräbt sie das Gesicht in den Händen und zieht mit ihren
Matheaufgaben von dannen.
Heiß, heißer, Mai
Der indische Sommer geht von März bis Mai, wobei Mai der heißeste Monat sein soll. Schon seit ich angekommen bin, wurde ich vor dem Monat gewarnt, ich würde mich wie ein „fried fish“ fühlen. Aber schon seit Ende Januar wird es immer wärmer, das Wasser aus der Leitung ist tagsüber immer lauwarm bis warm und ohne Ventilator will ich auch nicht mehr schlafen. Was für ein Glück, dass genau in diesen warmen Monaten die Wassermelonen reif sind! An jeder Straßenecke findet man inzwischen stapelweise die großen grünen Bälle, die so viel Erfrischung versprechen… Früchte sind einfach etwas Tolles, ich freue mich schon, wenn sehr bald die Mango-Saison wieder anfängt. Im Moment sind die Mangos noch sehr klein…
Ganz kleine Mangos
Die findet man in Massen auf unserer Dachterrasse!
So viele Straßenstände mit Wassermelonen sind überall
Diese 5 kg habe ich unter dem Arm durch ganz Uthiramerur geschleppt, weil ich ganz nach dem neuen Gesetz keine Plastiktüte nehmen wollte
Was gerade auch gut wächst ist der Reis. Junger Reis ist tiefgrün und die Felder sehen aus wie aus dem Bilderbuch! Wenn er älter wird, färbt sich die Pflanze gold-orange und lässt den Kopf mit den schweren Früchten hängen. Dann ist der Reis fertig zur Ernte, am 29.03. war es soweit! Wegen unseren Reisfeldern mussten wir auch Wasser sparen auf dem Campus, denn Reisanbau braucht viel davon. Da es seit Dezember nicht mehr geregnet hat, sinkt der Wasserspiegel unseres ponds rapide, aber jetzt wurde der Reis geerntet und es wird hoffentlich wieder besser. Die Reisernte wurde mit einer Maschine gemacht, die nur 3 Stunden für die drei Felder benötigt hat. Wäre es von Hand geschehen, hätten unsere Farmer mindestens 4 Tage gearbeitet… Nach der Ernte schauen die Felder jetzt etwas gerupft aus und nicht mehr so schön, aber sie haben uns 3-4 volle Wagenladungen mit Reis geschenkt.
Ist das nicht traumhaft?
Unser junger Reis auf dem Campus…
… lässt jetzt auch schon die Köpfe hängen
Kurz vor der Ernte
Direkt nach der Ernte
Die Maschine war angsteinflößend groß mit scharfen Klingen
So, ich mach dann
auch mal wieder Schluss für heute! Auf den nächsten Beitrag müsst
ihr hoffentlich nicht wieder so lange warten, ich plane schon… Bis
bald, danke, dass ihr am Ball bleibt!
So, jetzt ist es
soweit. Seit etwas mehr als einer Woche ist die Hälfte meines
Einsatzes in Indien vorbei. In mir ist ein Chaos der Gefühle, das
ich noch nicht so ganz ordnen kann, denn einerseits war ich schon so
lange nicht mehr zu Hause und ich vermisse meine Familie und Freunde!
Nürnberg und vor allem richtiges Brot vermisse ich auch. Aber
andererseits kann ich mir nicht vorstellen, diesen Ort hier schon im
Juni verlassen zu müssen. Ich würde so gerne noch länger in Indien
bleiben und meinen Mädchen beim Aufwachsen zusehen, sehen, was die
Zukunft für sie bringt! Und Dinge wie die vielen Farben, die
Früchte, die Herzlichkeit, die Spontanität, die Spiritualität von
Indien, das Grün um mich herum, das alles möchte ich nicht nach
einem Jahr schon wieder verlieren. Die Vergänglichkeit des
Augenblicks wird mir immer öfter bewusst, aber ich versuche, das
nicht schon jetzt so nah an mich heran zu lassen. Schließlich sind
immer noch 5 ½ Monate übrig, während ich das hier schreibe…
Jetzt könnt ihr aber erst einmal über meine letzten Wochen lesen, die sehr ereignisreich waren!
New Year in
Vettavalam
Über Neujahr bin
ich nicht nach Chennai gereist, sondern durfte bei den Jesuiten im
Loyola College Vettavalam (weiter südlich) bleiben. Ich habe die
Kommunität dort über die Ferien gut kennengelernt und viele der
Fathers und Brothers sehr ins Herz geschlossen. Sie haben alles
getan, um mir schöne Ferien zu bereiten. Jeden Tag sind sie mit mir
rausgefahren und sie haben mir täglich Schokolade mitgebracht, was
gar nicht nötig gewesen wäre (ich habe mich ein bisschen wie die
Enkelin gefühlt, die sie nie haben würden und der man eben gerne
eine Freude macht)! Über Neujahr sollte ich eigentlich mit meinem
Mentor Father Dominic zur Messe in eines der Dörfer gehen, wo es ein
großes Fest geben würde und eine lange Feier bis in den Morgen.
Aber die Kupplung seines Autos hat genau auf dem Weg nach Vettavalam,
wo er mich abholen wollte, den Geist aufgegeben und er saß deshalb
erst mal am Straßenrand fest. Also bin ich über Silvester in der
Kommunität der Vettavalam-Jesuiten geblieben. Ich war schon sehr
traurig, dass mir das große Fest jetzt (wie schon an Weihnachten)
wieder entgehen würde, aber was solls. Die Christen in Tamil Nadu
feiern über den Jahreswechsel einen Gottesdienst, genau um
Mitternacht soll das Gloria gesungen werden. Wir hatten uns für
11.45 pm in der Hauskapelle verabredet, im Fatherhouse geblieben sind
zwei Fathers, ein sehr alter Brother und ich. Um 11.50 pm waren die
zwei Fathers und ich in der Kapelle, nur der Brother hat noch
gefehlt. Er hatte zuvor ein wenig geschlafen, war aber eigentlich um
11.15 pm aufgeweckt worden, um sich bereit zu machen. Um 11.55pm war
er immer noch nicht da, also haben wir ohne ihn angefangen. Zu dritt
hatten wir einen ganz netten Gottesdienst, bei dem nur die Fathers
gesungen haben, weil ich die tamilischen Lieder noch nicht so schnell
mitlesen kann… Um 12:30 pm waren wir fertig, gerade als wir die
Treppe heruntergegangen sind, kommt uns der Brother entgegen, ganz
verwirrt, warum wir denn schon fertig sind. Es stellte sich heraus,
dass er den Weckruf nicht gehört hatte, weil er schon etwas
schwerhörig ist (dabei hat Father Alton mindestens 10 Minuten lang
an seine Tür gehämmert und gerufen, das war echt lustig!). Dann ist
er später von alleine aufgewacht, doch seine Armbanduhr ist genau um
11.15 pm stehengeblieben, weshalb er die ganze Zeit dachte, er hätte
noch viel Zeit übrig:D Wir haben so viel zusammen gelacht über
diesen Zufall, während wir zur Feier des neuen Jahres Pudding-Kuchen
verspeist haben. Der war eine Spezialität des alten Brothers, er
hatte den ganzen Tag in der Küche verbracht, um diesen Kuchen
vorzubereiten.
Am nächsten Tag ist Father Dominic angekommen und hat mich mit in sein Heimatdorf genommen. Dort haben wir seine Familie besucht, Biriyani gegessen und sind dann wieder zurück nach Vettavalam. Da sein Auto noch in der Werkstatt war und an Neujahr niemand arbeitet, habe ich in Kuppayanallur Bescheid gegeben, dass ich wohl doch nicht am 02.Januar zurück sein würde, wenn die Schule wieder anfängt. Wir mussten länger warten als gedacht, und so hatte ich noch die Gelegenheit, bei einer Kirchweihfeier in Vettavalam dabei zu sein. Die Gemeinde der Mother Mary Church im Dorf pilgert mit einer Marienstatue zu diesem Anlass stets auf einen Berg in der Nähe, wo ein Schrein des Hl. Josefs ist. Dort steht eine berühmte Statue des schlafenden Josef, die mit der Marienstatue „vereint“ wurde. Auf dem Berg fand eine 4-stündige Messe statt! Vor, während und nach dem Gottesdienst wurden immer wieder von einem Priester Intentionen vorgelesen. Viele Menschen hatten 100 oder mehr Rupees bezahlt, damit ihr Name und ihr Herkunftsort bei der Feier verlesen wird. Mir tat der Priester wirklich leid, weil gefühlt jeder der Versammelten mitsamt seiner Familienmitglieder erwähnt werden wollte, weshalb gegen Ende sein Sprechtempo immer schneller wurde. Der Priester mit der Predigt war so in Fahrt, dass er fast eine Stunde geredet hat, und schließlich hat der Parish Priest ihn freundlich unterbrochen, damit die Gemeinde nicht verhungert. Tatsächlich hatten wir noch nichts gefrühstückt, um 11 habe ich dann endlich ein paar Poori bekommen (Biriyani gab es für die Gottesdienstbesucher, aber ich sollte mit den Fathers essen). Der Ausblick von dieser Kirche auf dem Berg war wirklich beeindruckend und es war schön, früh am Morgen bei einer kühlen Brise über die Landschaft zu schauen.
Ausblick vom Schrein…
Der schlafende Josef
Der Schrein von außen; der Gottesdienst fand natürlich unter freiem Himmel statt, weil die knapp tausend Gäste nicht alle dort hinein gepasst hätten
Neue Gesichter in
Kuppayanallur
Von Vettavalam bin
ich dann nicht wieder direkt zurück nach Kuppayanallur, sondern bin
noch für zwei Nächte mit nach Chennai gekommen (inzwischen war es
schon der vierte Tag nach Schulanfang). Der Grund: ich habe zum
ersten Mal Besuch bekommen! Sophie und Lydia, zwei Jesuit Volunteers,
die für ein Jahr im Norden von Indien im Einsatz sind, haben ihre
Winterferien genutzt, um ein bisschen den Süden zu erkunden. Nach
einer sehr langen Reise kamen sie erschöpft in Chennai an und ich
habe sie vom Bahnhof abgeholt, wo eine schöne gemeinsame Woche
begonnen hat! Mit ihnen bin ich dann endlich zurück in meine zweite
Heimat Kuppayanallur gekommen, ich habe meine Mädels soooo sehr
vermisst in den Ferien. Nach zwei Wochen konnte ich sie endlich
wieder in die Arme schließen und mir ihre aufgeregten (und ein wenig
vorwurfsvollen) Erzählungen anhören, wie schrecklich diese eine
Woche ohne Samira Miss im Hostel doch gewesen sei. Die Ferien waren
sehr schön, aber ich war einfach nur glücklich daheim zu sein!
Lydia und Sophie waren sehr neugierig auf die Früchte im Süden und so haben wir viele Chancen ergriffen, um Granatäpfel, Ananas, Orangen, Bananen, Kokusnüsse etc. zu genießen. Außerdem haben wir die Sonne auf der Dachterrasse ausgenutzt, denn vor allem bei Lydia in Darjeeling gibt es zur Zeit nicht viel davon. Es war einfach schön, Zeit zusammen zu verbringen und sich über so viele Dinge austauschen zu können! Das habe ich nach 6 Monaten ohne Mitfreiwillige(n) sehr genossen.
Meine Kuppayanallur Fathers hatten am Sonntag die Idee, dass wir Volunteers zu dritt ein Nachmittagsprogramm für die kleineren Hostelmädels veranstalten könnten. So umringten uns ein wenig später 20 mehr oder weniger motivierte Kinder, mit denen wir gesungen und getanzt haben. Lydia Miss, Sophie Miss und Samira Miss wurden sehr von den Mädels in Anspruch genommen! Als wir ein tamilisches Lied angemacht haben, sind sie völlig ausgerastet, haben wild getanzt und gelacht und waren einfach ausgelassen. So gerne ich ihnen mehr davon ermöglicht hätte, wusste ich doch, dass wir nach 3-4 Liedern lieber aufhören sollten. Wenn die Sister oder die Fathers dieses Chaos mitbekämen, würde es vermutlich Ärger geben…
Da eine Woche nach
unserer Ankunft in Kuppayanallur bereits der Hostel Day stattgefunden
hat, war die ganze Woche sehr vollgestopft mit Proben und ich hatte
vor allem abends leider nur wenig Zeit. Aber wir haben zu dritt das
beste daraus gemacht und am letzten Tag sind wir sogar noch auf einen
Kurzbesuch nach Mamallapuram gefahren, einer Stadt mit wunderschönen
Tempeln und Meer. Ich hatte nur eine Stunde dort Zeit, weil am Abend
die erste Generalprobe für den Hostel Day stattfand, aber für einen
Felsentempel und einen Blick auf das Meer hat es gereicht!
Danke für die schöne Zeit, Sophie und Lydia, ich hoffe ich schaffe in den Sommerferien einen Gegenbesuch!:)
Der Felsentempel
Direkt daneben war eine Steinebende mit diesem Felsbrocken
Viele Menschen waren in rot gekleidet, weil sie zu einem Hindutempel pilgern im Januar
Ihre Projekte sind sehr besondere Orte: Sophie ist an der Gandhi Ashram School in Kalimpong, einer Schule für Musik, wo die Kinder verschiedene Instrumente lernen können und sie nebenbei noch eine sehr gute Bildung bekommen. Lydia arbeitet bei der Hayden Hall in Darjeeling im Kindergarten und Evening Study Centre. Die Einrichtung richtet sich an mittellose Frauen und Kinder, um ihnen zu einem menschenwürdigeren Leben zu verhelfen.
Berge, Früchte und
(k)ein Tempel…
Am Tag vor dem Hostel Day fand der alljährliche Lehrerausflug statt, auf den ich spontan noch mit durfte. Da hatte ich wirklich Glück, denn es ging in die Berge zu einer Stadt namens Tiruvannamalai. Um aber zu dieser Stadt in den Bergen zu gelangen, mussten wir erst zahllose Serpentinen und S-Kurven auf uns nehmen, die unser Busfahrer in einer waghalsigen Geschwindigkeit gemeistert hat. Kurz bevor die Serpentinen begannen, hat Father Samy eine Wunderwaffe gegen Übelkeit hervorgezaubert: kleine Limonen! Wenn man immer mal wieder an der Schale riecht und den Zitronengeruch einatmet, vergeht die Übelkeit wie im Nu. Bei mir hat es wirklich gut funktioniert, normalerweise bin ich nämlich nicht sehr Serpentinen-fest…
Je höher wir kamen, desto schöner wurde der Ausblick auf Wälder, Täler, Felder und den tiefblauen Himmel. In den Bergregionen Tamil Nadus wachsen sehr viele Jackfruit-Trees. Ich hatte vor Indien noch nie davon gehört, aber die Früchte sind hier sehr bekannt und beliebt. Teuer sind sie außerdem, vor allem jetzt, weil die Saison dafür eigentlich vorbei ist. Zum ersten Mal habe ich auch einen echten Feigenbaum gesehen!
Manimala und ich
Ich frage mich, wie diese dünnen Äste so schwere Früchte tragen können
Unser Ziel war ein kleiner Wasserfall, zu dem wir gewandert sind. Da es dieses Jahr nur wenig geregnet hat im Vergleich zu anderen Jahren, führt er nur wenig Wasser im Moment, aber allein die Aussicht war den Weg auf jeden Fall wert.
Der weitere Tagesplan wurde spontan umgekrempelt. So haben wir das Tretboot-Fahren auf dem kleinen See in der Nähe ausfallen lassen und sind stattdessen nach Vellore zum „Goldenen Tempel“ gefahren. Ich war total aufgeregt, weil sich endlich die Chance bot, einen großen Hindu-Tempel, der noch dazu sehr bekannt ist, zu besichtigen. Da die meisten der LehrerInnen Christen sind, würde es auch für sie das erste Mal in einem Tempel sein. Die gesamte Anlage des Tempels ist in einer Sternform angelegt und für die Innenausstattung wurden aus dem Ausland mehrere Tonnen Gold gespendet. Aufgeregt machten wir uns bereit, Schuhe und Handys/Kameras blieben im Bus, weil sie im Inneren nicht erlaubt sind. Um hineinzukommen mussten wir durch vergitterte Gänge laufen und uns beim „Checkpoint Ladies“ anstellen, wo es eine Art Sicherheitskontrolle gab. Die Männer wurden in diesen Gängen von den Frauen getrennt und ich habe mich beim Laufen ein bisschen so gefühlt, als würden wir ein Hochsicherheitsgefängnis betreten wollen. Die Warteschlange bei den Frauen war um einiges länger als die der Männer, und so sind die Lehrer schnell hineingekommen, währen die Lehrerinnen fast eine Stunde nur vor dem Checkpoint gewartet haben. Man wurde dort in allen möglichen Sprachen Indiens angesprochen oder beschimpft, wenn von hinten zu sehr geschoben wurde. Wir wurden immer nervöser, weil wir insgesamt nur 2 h Zeit hatten. Als wir endlich den Checkpoint passiert hatten, haben mich die anderen Lehrerinnen zu einer Absperrung gelotst, durch die wir von einem Sicherheitsbeamten geschoben wurden. Erst dachte ich: „Super, sie haben eine Abkürzung gefunden und wir kommen schneller rein“. Aber bald wurde mir klar, dass wir nicht rein, sondern wieder hinaus gingen. Sie erklärten mir, dass es hinter dem Checkpoint nochmal Waiting Boxes gibt, wo die Wartezeit für Frauen zu dem Zeitpunkt mehr als 4 Stunden betrug. Also würden wir den Tempel wohl doch nicht sehen können. Ich war wie betäubt vor Enttäuschung, weil wir so nah waren aber uns diese Chance nun entgehen würde. Stattdessen haben wir uns dann zu den Straßen von Vellore durchgekämpft und gemacht, was die meisten Frauen nach einer Enttäuschung eben gerne tun: Shoppen:) Auf der Rückfahrt im Bus wurde ein tamilischer Film gezeigt, der ganz nett anfing aber immer düsterer und gruseliger wurde. Der Psychopath, der Schulmädchen im gleichen Alter wie unsere Hostelmädchen auf brutalste Weise ermordet hat, war wirklich nicht das richtige für eine Nachtfahrt in einem Bus ohne Innenbeleuchtung. Manimala (meine Freundin und Hostelkollegin) und ich haben uns irgendwann nur noch mit unseren Schals die Augen zugehalten, weil wir sonst alle 2 Minuten aufgeschrien hätten… Wir haben uns echt gefragt, wie wir jetzt noch alleine in unseren Zimmern im Hostel schlafen sollten, denn wir kamen erst um Mitternacht zurück nach Hause. Vor allem die Filmmusik wollte mir nicht mehr aus dem Kopf! Und so habe ich für eine Nacht das zweite Bett in Manimalas Zimmer in Beschlag genommen und wir haben uns gegenseitig vor Christopher, dem psychotischen Mörder, beschützt:)
Hostel Day
Wie schon vorher angekündigt fand Mitte Januar endlich der lang ersehnte Hostel Day statt, für den wir im November bereits Wettbewerbe und Aktionen veranstaltet hatten. Boys und Girls Hostel haben an diesem Tag zusammen mit den Eltern und LehrerInnen gefeiert. Ich war für einen Englischen Sketch verantwortlich, den ich die ganze Woche über mit 5 Schülerinnen der 6.-8. Klasse geprobt hatte. Es gab ein sehr buntes Programm mit zwei Theaterstücken, vier Tänzen, einer Diskussionsrunde, Festreden, Panthomime, Stand-up-Comedy, drei Musik/Percussion- Beiträgen und Preisverleihungen. Jeder hat sich für diesen Tag in Schale geworfen und ich habe einen Sari von Manimala getragen. Mein Zimmer wurde an diesem Morgen zur Sicherheitsnadel-Börse (in weiser Voraussicht hatte ich vorher noch ein neues Päckchen gekauft), zur Umkleide und zur Schmink-Zentrale, denn ich habe den einzigen Spiegel, bei dem man den ganzen Körper sehen kann. Vor lauter Proben, Sari-Anziehen und Mädels für ihre schönen Saris zu loben, hatten wir Lehrerinnen kaum Zeit zum Frühstücken.
Den blauen Sari hat sie zum Geburtstag bekommen und für einen Tag mir überlassen
Man fühlt sich einfach sehr elegant im Sari, egal was man gerade macht
Meine Mädels waren natürlich genauso herausgeputzt
Mit einer Stunde Verspätung (weil die Ehrengäste noch nicht da waren) haben wir mit dem Programm um 10:30 Uhr begonnen. Die Sister stand die ganze Zeit draußen im Gang, denn es gab dort einen Aufgang zur Bühne und alle haben sich in diesem Gang fertig für den Auftritt gemacht. Aufgabe der Sister war es, Jungs und Mädchen voneinander fernzuhalten und sie am Reden mit dem jeweils anderen Geschlecht zu hindern. Das mag in unseren Deutschen Ohren vielleicht lächerlich und hart klingen, aber es wird von den Eltern auf die Schule großer Druck ausgeübt, die Geschlechter getrennt zu halten. Bis zwei Uhr lief das Programm, ohne Pause aber mit viel Spaß! Ich lasse einfach mal die Bilder für sich sprechen, die Stimmung am Hostel Day war jedenfalls so ausgelassen und fröhlich wie schon lange nicht mehr!
Entzünden von vier Flammen
Die Mädels haben wunderbar gesungen und getanzt…
… und eine Diskussion über das tamilische Schulsystem geführt
Das ist ein traditioneller Tanz mit sehr lauten Trommeln
Auch die Jungs haben sehr gut getanzt und Theater gespielt
Für die Kolam-Bilder mussten die Mädels um 4 Uhr morgens aufstehen
Aber sie sind sehr schön geworden!
Überall war es schön geschmückt
Ich brauche glaube ich nicht zu erwähnen, wie viele verborgene Talente in den Kindern schlummern, die nur darauf warteten ans Licht gebracht zu werden. Dreimal dürft ihr raten, was es im Anschluss an die Feier zum Essen gab: Richtig, Biriyani! Sogar Eis wurde für alle verteilt, ein einmaliger Genuss für die Hostelkinder. Danach konnten alle mit ihren Eltern nach Hause gehen, denn die Pongal Ferien waren direkt im Anschluss. Nur 5 Mädchen sind über die Ferien im Hostel geblieben, weil sie sehr weit weg wohnen und es sich für sie nicht gelohnt hätte, nach Hause zu gehen.
Pongal Valthukal!
Im Januar wird in Indien „Pongal“ gefeiert, und zwar an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Es ist von der Idee her vergleichbar mit dem deutschen Erntedank, aber viel viel größer. Zuerst dachte ich, es wäre ein hinduistisches Fest, aber es wird von allen Religionen gefeiert, es ist ein indisches Fest. Am ersten Tag betet man zur Sonne und dankt der Natur für alles, was sie für uns tut. Vor allem die Bauern danken für ihre Ernte und es werden überall Kolam-Kunstwerke vor den Häusern auf den Boden gemalt. Ich war an diesem Sonnen-Pongal für einen Nachmittag in Uthiramerur und ich bin an fast jedem Hauseingang stehen geblieben, um die farbenfrohen Blumenmuster zu bestaunen! An Pongal gibt es traditionellerweise eine Süßspeise mit dem gleichen Namen („Pongal“:D), außerdem wird Sugarcane gegessen. Bei dieser Pflanze braucht man gute Zähne, weil sie wie ein Ast aussieht und eine harte „Rinde“ besitzt, aber allein mit Kieferkraft geschält werden muss. Dann kann man auf dem „Fleisch“ herumkauen und den Saft genießen (aber man darf danach ca. 1 h lang kein Wasser mehr trinken, weil es sonst im Mund brennt). Angeblich ist der Saft gut für die Zähne, auch wenn es sugarcane heißt…
Sweet Pongal auf Bananenblatt
Das ist ein Stück Sugarcane, von meinen eigenen Zähnen geschält am oberen Rand
Am zweiten Tag wird Cow-Pongal gefeiert, es werden alle Hilfsmittel für die Landwirtschaft geehrt und vor allem die Tiere schön geschmückt und gesegnet. Manimala, die verbliebenen 5 Hostelmädchen und ich haben die Chance erhalten, mit Father Samy in die Villages zu fahren und bei der Segnung der Kühe und Bullen dabei zu sein. Ich war so glücklich (vor allem auch für die Mädels), dass wir mal aus dem Hostel herauskommen und bei so einem wichtigen kulturellen Ereignis live dabei sein können.
Die Hörner der Kühe wurden bunt angemalt, wenn man politische Treue zeigen wollte auch manchmal in den Farben der jeweiligen Partei. Außerdem wurden Gras-Girlanden am Kopf der Tiere befestigt, was ich ziemlich gemein fand. Stellt euch vor ihr müsstet den ganzen Tag mit leckerem Essen herumlaufen, das euch von den Ohren baumelt, aber hinein beißen dürft ihr nicht. Die Luftballons, die an die Hörner gebunden wurden, haben das ganze Fest sehr bunt und auch laut gestaltet. Denn sobald sich zwei Kühe zu nahe gekommen sind, hat das Horn der einen Kuh die Ballons der Nachbarkuh mit einem lauten Knall zum Platzen gebracht. Natürlich waren nicht nur die Kühe schön hergerichtet, sondern auch die Dorfbewohner selbst. In Tamil Nadu gehören Blumen in den Haaren der Frauen genauso zu besonderen Festtagen dazu, wie gutes Essen oder schöne Kleidung. Wir aus dem Hostel hatten natürlich keine Zeit, um uns Jasmin-Ketten zu besorgen… Im letzten der drei Dörfer kam beim Warten auf die Ankunft aller Kühe ein kleines Mädchen in einem grün-blauen Kleidchen zu mir, nicht älter als 3 Jahre, und sie hat ganz verwirrt auf mein Haar gezeigt und „Poo enge?!?“ gesagt, was „Wo sind die Blumen?“ bedeutet. „Poo ille“ musste ich ihr leider antworten, „Keine Blumen“. Fachmännisch hat sie sich kurzerhand ihre eigene kleine Blumenkette aus dem Haar gerupft und sie mir mit einer Haarnadel angesteckt. Ihr Blick hat so viel gesagt wie: „Na so geht das aber nicht, heute ist doch Pongal, da braucht man Blumen!“. Ohne ein weiteres Wort ist sie wieder davon getapst zu ihrer großen Schwester. Ich war sehr gerührt und habe ihr „Nandri Papa!“ (~Danke meine Kleine) nachgerufen. Statt sich über ihre eigenen Blumen zu freuen, hat sie ohne zu Zögern darauf verzichtet, um mich für Pongal schick zu machen.
Poliur
Jaepinagar
Kühe mit den Farben der Regierungspartei
Thitalam
Diese Bullen waren sehr beeindruckend und ein bisschen furchteinflößend:)
Pongal in Thitalam
Anschließend gab es
wieder sweet-Pongal und auch Tee. Auf der Rückfahrt waren wir alle
ganz euphorisch, weil wir wirklich Pongal gefeiert hatten, und nicht
wie gedacht den ganzen Tag im Hostel bleiben mussten!
Der dritte Tag des Pongal Festes ist ein Tag der Gemeinschaft, man geht aus dem Haus um Leute zu treffen, besucht die Familie, freut sich über die Beziehung zu anderen Menschen. Bei der Gelegenheit ist es in den Dörfern auch Tradition, dass man an diesem Tag nach möglichen Hochzeits-Partnern für die eigenen Kinder Ausschau hält. Wenn ein möglicher Kandidat/ eine mögliche Kandidatin gesichtet wird, setzen sich die Familien zusammen und treffen erste Arrangements. (In meinem nächsten Blogeintrag werde ich etwas genauer auf die Arranged Marriages und die Rolle der Frauen und Mädchen in Tamil Nadu eingehen, aber ich habe das Gefühl, dass dieser Beitrag jetzt schon lang genug wird 🙂 ) Eine weitere Tradition ist, dass am dritten Tag die junge Generation von Haus zu Haus geht und übersetzt so etwas wie „War euer Pongal gestern gut?“ oder „Habt ihr Pongal auch gut verbracht?“ fragt. Die alten Leute geben daraufhin den Jungen etwas Geld und wünschen „Pongal Valthukal“ (=Happy Pongal).
In diesem Sinne
wünsche ich euch allen Happy Pongal und ein gesundes, frohes und
erfolgreiches neues Jahr 2019! Vielen Dank für das Interesse und die
Kommentare der vielen fleißigen Leser dieses Blogs und vielen Dank
für die Spenden für Kuppaynallur! Bis bald!
Seit Ende November beginnt jede Studytime mit demselben Streit: sollen wir den Ventilator benutzen oder nicht. Die eine Hälfte will sich vor den Mosquitos schützen und schaltet den „fan“ an, die andere Hälfte beginnt daraufhin zu nörgeln, weil es ziemlich kalt werden kann am Abend und die Mädchen dauernd frieren. Meistens gewinnt die Mosquito Gruppe den Kampf, weil es wirklich unerträglich werden kann mit den Viechern. Eines Tages hat die Schule beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen, und die Fathers haben Männer angeheuert, die auf dem ganzen Campus Mosquitogift verteilen sollten. Mir hat davon keiner etwas gesagt, und so war ich unwissend in meinem Zimmer an diesem Nachmittag und habe gerade meine Wäsche fertig aufgehängt. Plötzlich klopft es an meiner Tür und die Sister ruft, dass ich die Tür aufmachen soll, weil ein paar Männer mit Mosquitogift kommen. Gesagt getan, ich öffne die Tür und werfe hastig einen Schal über mein sehr unordentliches Bett. Ich habe erwartet, dass die Männer vielleicht irgendeine Flüssigkeit an den Fensterrahmen und an den Stellen, die mit Wasser in Berührung kommen (Mosquitos brüten im Wasser), verteilen. Falsch gedacht. Ich höre plötzlich ein Brummen und Zischen hinter mir und drehe mich wieder zur Tür um, nur um festzustellen, dass da jemand irgendeinen Dampf in mein Zimmer hinein sprüht mit einem sehr lauten Gerät. Ich bin so überrascht, dass ich einfach nur verdutzt und geschockt dastehe. Als ich aus meiner Schockstarre erwache, ist bereits so viel Dampf in meinem Zimmer, dass ich die Tür kaum noch sehen kann. Weil ich weiß, dass in der Tür ein Mann mit dem Gerät steht, renne ich instinktiv zum Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Ich muss von dem Gas husten und kann den Arbeitern nichts zurufen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hört das Geräusch auf und ich bleibe mit einem Schal vor Mund und Nase gepresst schockiert am Fenster zurück, ich sehe meine Hand kaum vor Augen, so neblig ist es. In meinem Kopf sind drei Gedanken: Warum hat mir die Sister nicht gesagt, dass ich raus gehen soll? Wie komme ich jetzt hier raus? Und ein sehr banaler, in der Situation etwas unpassender Gedanke: Na toll, jetzt darf ich meine aufgehängte Wäsche nochmal waschen! Irgendwann zähle ich drei, zwei, eins runter und renne los, blindlings in den Nebel hinein. Zum Glück kenne ich den Weg nach unten sehr gut, aber ich habe trotzdem wirklich Panik, weil ich nichts sehen kann! Ich reiße im Rennen viel Wäsche von den Wäscheleinen im Gang, aber das ist mir egal, ich will nur noch die Treppe finden. Als ich dann endlich draußen bin, schauen mich alle ganz verwundert an und fragen, warum ich denn nicht vorher rausgegangen bin. Ich war danach heilfroh und gleichzeitig unglaublich wütend, weil man mir vorher nicht Bescheid gegeben hat. Das ganze Hostel war in Nebel gehüllt und aus den Fenstern quoll Dampf. Es sah aus, als würde es innen brennen. Nach 25 Minuten hatte sich das meiste wieder verflüchtigt und man konnte innen wieder etwas sehen. Der Geruch blieb noch etwas länger, war aber auszuhalten. Das Mosquitogift wurde auch in allen anderen Gebäuden und auf den Wiesen verteilt, kein Ort war davor sicher.
Oben kann man den Dampf sehen, der aus den Luftschächten kommt…
Hier kann man das Gerät sehen
Das war, als die Sicht sich langsam gebessert hat…
All diese Wäsche musste nochmal durch die Handwäsche
Genützt hat die
ganze Aktion nach unser aller Meinung kaum etwas. Ein, zwei Tage
waren es deutlich weniger Mosquitos, aber schon nach drei Tagen war
wieder alles wie vorher. Wir müssen wohl einfach warten, bis die
Saison vorüber ist…
Eine weihnachtliche Woche
In der Woche vor Weihnachten waren sehr viele Weihnachtsfeiern! Die Hostel-Weihnachtsfeier, die LehrerInnen-Weihnachtsfeier, die Weihnachtsfeier in der Good Samaritan Grundschule in Ongur, die Jesuiten-Weihnachtsfeier, die Weihnachtsfeier der Jugendgruppen aus allen Villages in der Umgebung. Jede Feier hatte ihren eigenen Zauber und war besonders.
Im Hostel haben wir drei Tage vorher mit der Planung begonnen, für tamilische Verhältnisse sehr früh, nach meiner Erfahrung. Zwei Tänze, drei Weihnachtslieder, zwei kurze Theaterstücke, zwei Reden, ein Auftritt des Christmas-Tatas (Übersetzt Weihnachts-Opa, also Santa Claus).
Tanz der 6. bis 8. Klasse
Tanz der 9. bis 12. Klasse
Drama 1, besonders schön ist der Engel im Hochzeitskleid…
Drama 2 handelte von einem Bettler, der 2 Familien um Essen bittet
Nur die Arme Familie mit dem Alkoholiker Vater hat etwas abgegeben!
Christmas Tata 🙂
Ein buntes Programm,
das mit dem Verteilen der Geschenke geendet hat. Dafür wurde im
Hostel gewichtelt, also hatte jeder eine andere Person, hier
„Christmas Friend“ genannt, für die er ein kleines Geschenk
vorbereitet. In den Tagen davor musste ich unzählige Male
„C-h-r-i-s-t-m-a-s F-r-i-e-n-d“ für jemanden buchstabieren,
trotzdem kamen am Ende die lustigsten Varianten auf den Grußkarten
raus: „Krismas Frend“, „Chrisma Prand“, „Kirusmas Fiend“,
es war wirklich süß und auch lustig zu lesen! An der Feier selber
ist dann immer eine Person vorgetreten und hat ihren Christmas Friend
angepriesen, ohne deren Namen zu verraten. Das Publikum durfte raten
und am Ende hatte jede von uns ein Geschenk bekommen. Manche haben
ein Schulheft, Stifte oder Ketten verschenkt, andere haben mehr Geld
und größere Geschenke wie eine kleine Wanduhr oder Weihnachtsdeko
gekauft.
Auf der LehrerInnen Weihnachtsfeier war das Programm kürzer, aber der Christmas-Tata durfte auch hier nicht fehlen. Wir haben alle als Geschenk einen Kuchen und eine tamilische Bibel für 2019 bekommen, in der für jeden Tag Lesungen und das Evangelium stehen. Ich verstehe darin zwar fast nichts, aber ich benutze die Bibel jetzt, um das Lesen der Tamilischen Buchstaben zu üben.
Tamilische Bibel für 2019
In Ongur wurden alle Mitglieder des Staffs im Fatherhouse geehrt, die Köchinnen, die Farmer, die Wäscherin, die Näherin, der Watchman. Die Grundschüler aus dem Hostel der Good Samaritan Primary School hatten nur einen Tag für die Vorbereitungen und haben trotzdem drei wundervoll bunte Tänze, zwei inbrünstige Weihnachtslieder und ein sehr gut inszeniertes Theaterstück vorgeführt. Ich war vor der Feier 20 Minuten früher da als gedacht und wurde stürmisch begrüßt. Ich habe mit den Kleinen Quatsch gemacht, sie haben mit mir getanzt und gelacht, es war so schön mit ihnen. Nach dem Essen musste ich versprechen noch zu warten, weil mir die Mädchen ihre neuen Kleider vorführen wollten, die sie von Sponsoren an der Feier bekommen hatten. Ich kenne die Kinder in Ongur erst so kurz, aber sie haben mein Herz in Rekordzeit erobert.
Kuchen anschneiden!
Tanz mit rosanen Tüchern
Auch die Jungs wollten Kopfschmuck, weil die Mädchen alle Blumen im Haar hatten…
Neu eingekleidet 🙂
Auf der Jesuiten
Weihnachtsfeier in der Nähe von Chengalpattu war ich die einzige
Frau und die einzige nicht-Jesuitin, aber inzwischen habe ich mich
schon so an die Gesellschaft von Fathers gewöhnt, dass es trotzdem
ein lustiger Abend wurde. Mein Mentor Father Dominic hatte mich
eingeladen und ich habe dort viele Fathers getroffen, die ich aus
Chennai oder von anderen Feiern kannte. Während der Feier wurde in
jeder zweiten Rede mein Name erwähnt und ich wurde nochmal extra
willkommen geheißen. Das war mir ein bisschen zu viel
Aufmerksamkeit, aber ich konnte sie nicht davon abhalten:) Die Feier
wurde in Gedenken an die viele Opfer vom Zyklon Gaia sehr klein
gehalten, es gab z.B. keine Geschenke, wie es sonst üblich ist. Beim
Essen habe ich mich lange mit einem vollbärtigen Jesuiten mittleren
Alters unterhalten, der von 2002 bis 2005 in Nürnberg gewesen ist.
Wie es der Zufall will hat er oft in der Maria-Ward-Kapelle
Gottesdienst gehalten, die ich ja sehr gut kenne. Gemeinsam haben wir
uns in Erinnerungen an den Christkindlesmarkt und „Drei im Weggla“
verloren…
Die Weihnachtsfeier
der Jugendgruppen fand ebenfalls in Ongur statt. Jedes Dorf hat mit
seinen Jugendlichen ein oder zwei Beiträge zum Programm
beigesteuert, da waren wieder so viele schöne Tänze und Lieder
dabei, auch „Nun freut euch ihr Christen“ in Englisch und Tamil
(wobei ich leise auf Deutsch mitgesungen habe, um selbst ein bisschen
Weihnachtsgefühl zu bekommen). An alle Gäste wurde Kuchen verteilt,
denn was bei uns die Weihnachtsgans ist, ist in Tamil Nadu der
Christmas Cake. Ich glaube wir haben in den letzten Wochen jeden
Nachmittag im Fatherhouse Kuchen gegessen, gebacken von allen
möglichen Sisters oder Familien aus der Umgebung.
Den Kuchen hat mir mein Mentor Father Dominic geschenkt…
…er war super lecker und weich, deshalb auch schnell weg!
Ich habe für
Weihnachten außerdem eine verrückte Bastelaktion gestartet: ich
wollte Fröbelsterne für alle Hostelkinder und Lehrerinnen machen!
Irgendwie hat sich die Anzahl hochgeschaukelt, denn wenn ich dem
einen schenke, muss ich dem auch einen schenken, und dann muss ich
ihr eigentlich auch einen geben, das übliche Geschenke-Problem eben.
Die finale Anzahl war 68, aber ich habe früh genug angefangen, um
das bis zum 22. hinzubekommen, wenn die meisten den Campus verlassen.
Fast meine komplette freie Zeit verbrachte ich vor Weihnachten mit
Buntstiften (nur weiß wäre ja langweilig!), Papier, Schere und
Lineal. Ich wurde immer schneller im Papierstreifen-Ausschneiden und
im Falten. Am Abend des 21.12. wurde der letzte Stern fertig, 13
Papierbögen und viele verzweifelte Momente wegen gerissenen
Papierstreifen später. Zufrieden sah ich auf meine 68 Sterne und
hoffte, den Mädels damit morgen ein Lächeln auf ihre Gesichter
zaubern zu können.
Das Anmalen vom Papier hat lange gedauert aber Spaß gemacht
Dann müssen die Papierstreifen geschnitten werden
Die Schnipsel fliegen bis heute in meinem Zimmer rum…
Alle 68 Sterne vereint!
Mit diesem Geschenk
wollte ich zeigen, dass man für etwas Schönes nicht immer viel Geld
ausgeben muss, und dass Mühe und liebevolle Arbeit manchmal ein
besseres Geschenk sein können, als etwas für 200 Rupees im Laden zu
kaufen. Die Sterne wurden mit Freude von meinen Mädels bestaunt und
viele kamen gleich zu mir, um noch welche für ihre Familie zu
bestellen:)
Leider konnte ich
die Sterne an die Lehrerinnen nicht mehr vor Weihnachten verteilen,
weil ich sie im Lehrerinnenzimmer am letzten Tag knapp verpasst habe.
Weihnachten – Wie ein Lied den Abend gerettet hat
Weihnachten in Indien! Wie sehr ich mir diesen Tag vorher ausgemalt habe, in den schönsten Farben, mit wunderbaren Klängen, großem Fest, vielen glücklichen Menschen. Ich hatte hohe Erwartungen, denn Weihnachten muss schließlich ein ganz besonderer Tag werden. Doch Weihnachten hat mich dieses Jahr eine Lektion gelehrt, die viel mit „hohen Erwartungen“ zu tun hat… Aber fangen wir von vorne an: In Indien wird Weihnachten erst am 25. Dezember gefeiert, die Messe ist spät abends am 24. und endet am 25. . Ich war wohl die einzige hier, die schon am 24. mit Weihnachtsgefühl im Bauch herumgelaufen ist und jedem ein Lächeln geschenkt hat, einfach weil Weihnachten ist. Die fast schon gleichgültige Einstellung meiner Mitmenschen zum 24. Dezember (wir hatten sogar Schule) hat mein Hochgefühl etwas gehemmt, aber ich wollte es mir dadurch nicht nehmen lassen! Geplant war, dass wir mit den neun verbliebenen Hostelmädchen nach Kuppayanallur in den 11:30 pm Gottesdienst gehen. Es ist das erste Mal, dass in der Kirche von Kuppayanallur ein Weihnachtsgottesdienst ist, weil es nur eine untergeordnete kleine Gemeinde ist, die zur Parish Church von Ongur dazugehört, und normalerweise gibt es nur in den Parish Churches einen Weihnachtsgottesdienst. Weil dieses Jahr mit der Tradition gebrochen wurde, hat man uns eine große Feier mit viel TamTam versprochen, auf die wir uns den ganzen Tag gefreut haben. Aber die Vorfreude wurde uns beim Mittagessen genommen, als vom Father Superior verkündet wurde, dass nur die Jungs aus dem Boys Hostel nach Kuppayanallur dürfen und die Mädels nach Ongur in die Messe gehen sollen. In Ongur leben nur fünf christliche Familien, weshalb die Ongur-Messe durch die „Konkurrenzveranstaltung“ in Kuppayanallur dieses Jahr sehr leer sein wird. Die Mädels sollten die leeren Reihen füllen und außerdem den Chor bilden. Wir waren sehr enttäuscht, weil uns die große Feier nun entgehen würde, aber wir haben es akzeptiert und uns dann eben auf einen kleinen, privaten Gottesdienst gefreut. Vor dem Abendessen wurden fleißig Weihnachtslieder geübt, nach dem Essen haben wir uns zurechtgemacht. Eigentlich zieht man in Tamil Nadu für eine große Feier wie Weihnachten immer ein neues Kleid an, das extra dafür gekauft wurde. Da wir aber alle seit den letzten Ferien im Hostel waren, hatte keiner von uns Zeit ein neues Gewand zu kaufen und wir haben uns für bereits getragene Kleider(die immer noch sehr schön sind!) entschieden. Mir wurde eine hübsche Frisur gemacht, wir haben uns kleine Steinchen auf die Stirn geklebt, die Vorfreude war wieder da und riesig.
Selfies sind sehr beliebt bei meinen Mädels 🙂
Die Mädels sind echte Frisuren-Künstlerinnen
Als alle fertig
umgezogen waren, kam der zweite Rückschlag des Tages: eine 12.
Klässlerin hat sich übergeben, kurz bevor wir los mussten. Dann
waren alle in heller Aufruhr und haben ihr heißes Wasser (hier ein
Wunderheilmittel für alles) und Glucose gebracht, sie hat sich
hingelegt und der Hostel-Direktor wurde angerufen. Die Zeit lief uns
davon, aber es hat niemanden gestört, alle waren so besorgt um sie.
Ich habe mich in einem Anflug deutschen Pünktlichkeitsdenkens
gefragt, ob nicht wenigstens die restlichen Mädels schon mal zur
Messe gehen könnten, schließlich erwartete man dort den Chor. Aber
stattdessen haben nur alle rumdiskutiert, was das Mädchen falsches
gegessen haben könnte, weshalb es ihr jetzt so schlecht geht. Unser
Fahrer ist mit dem Schulleiter ohne uns nach Ongur vorgefahren, weil
wir so spät dran waren, aber der Schulleiter die Predigt halten
musste. Mit einer halben Stunde Verspätung haben wir dann vor dem
Eingangstor auf die Rückkehr unseres Busses gewartet, damit er auch
uns nach Ongur bringen kann. Die kranke 12. Klässlerin wollte
unbedingt mit in die Messe, denn sie ist Hindu und wollte schon immer
mal Weihnachten feiern. Also haben wir auf sie Acht gegeben und sie
durfte mitkommen. Als wir dann endlich im Bus waren, hat uns
irgendein Motorrad auf halber Strecke aufgehalten, weil es mitten auf
der Straße stehengeblieben ist. Ich dachte schon, wir kommen gar
nicht mehr an. Dann sind wir vom Bus zur Kirche gehetzt und ich bin
im Dunkeln über einen rostigen Hering im Boden gestolpert, an dem
ich mir meinen Zeh aufgeschlagen habe. In der Kirche hatte der
Gottesdienst schon angefangen, ich wurde zu einem Metallstuhl gelotst
um mich zu setzen. Dort hatte ich dann viel Zeit zum Nachdenken, weil
ich in der Tamilischen Messe nicht sehr viel verstehe. Im Hintergrund
hat ein Baby die ganze Zeit Krach gemacht, sodass man den Priester
kaum verstanden hat. Neben meinem Kopf hat eine riesige Libelle
lautstark versucht, möglichst nah an die helle Lampe zu fliegen,
wobei sie das Lametta an der Wand nervtötend zum Rascheln gebracht
hat. Mein Fuß wurde zum Opfer zahlreicher Mosquitos, sodass er
gleichzeitig gejuckt und (von der Wunde vorher) gebrannt hat. Ich
habe mich nur noch nach Hause gewünscht in meine gemütliche St.
Josefs Kirche, wo ich innerlich zur Ruhe kommen und Weihnachten
einfach mit meiner Familie genießen kann. Es waren so viele
Kleinigkeiten auf einmal, die mir die Weihnachtsstimmung genommen
haben. So habe ich mir Weihnachten in Indien wirklich nicht
vorgestellt! Meine Enttäuschung war groß und ich saß traurig und
genervt auf meinem Stuhl. Auch die viele Deko mit Glitzer und
Blink-Lichtern und Sternen in allen möglichen grellen Farben hat
meine Stimmung nicht heben können. Ich habe mich jetzt schon fünf
Monate lang an diese (für mich ziemlich kitschige) Art der
Dekoration gewöhnt, aber an diesem Abend war es mir einfach zu viel.
Es erschien mir so unecht und so künstlich wie noch nie zuvor.
Während der Predigt
habe ich mich mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, denn ich
konnte diese Situation einfach nicht so auf mir sitzen lassen. Ich
wollte nicht, dass Weihnachten so für mich endet. Ich habe mir
überlegt, dass die Situation vor allem so schrecklich ist, weil ich
so hohe Erwartungen und schon eine genaue Vorstellung von diesem Tag
gehabt hatte. In meiner Phantasie war es ein perfekter Tag mit vielen
neuen Eindrücken, die mich überraschen und mich zum Staunen
bringen. Die Wirklichkeit hat mich nur deshalb so kalt erwischt, weil
ich den Tag in Gedanken schon so oft vorher durchgespielt hatte, dass
er sich jetzt wie ein Fehlschlag anfühlte. Ich habe versucht mich
zum positiven Denken zu zwingen und allein durch Willenskraft diesen
Mantel der Enttäuschung abzulegen. So richtig gelingen wollte es mir
zunächst nicht, es war einfach zu wenig Vertrautes und zu wenig
Weihnachtliches in meiner Umgebung.
Aber dann kam dieses Lied. Ich kenne den Titel nicht und ich hatte es vorher erst einmal gehört, aber es hat die Nacht für mich geändert. Unser Schulleiter ist ein begnadeter Sänger und er hat am Ende der Messe ein Wiegenlied vorgetragen, es war ganz langsam und ruhig, fast schon meditativ, auf jeden Fall weihnachtlich. Während des Liedes sind alle Gottesdienst Besucher zur Krippe gegangen, um das Jesuskind zu verehren. Ich war wie gebannt von der Melodie und konnte den Ort plötzlich mit ganz anderen Augen sehen. Da war die Krippe, beleuchtet von mehreren Lichterketten in allen Farben. Da war der Altar, geschmückt mit so vielen bunten Tüchern, die plötzlich nicht mehr kitschig sondern mit-viel-Mühe-hergerichtet wirkten. Da war das Kind, vorher ein Störfaktor, jetzt schlief es beim Klang der Musik friedlich und niedlich in den Armen seiner Mutter. Ich weiß nicht, warum dieses Lied alles besser und schöner gemacht hat, ich weiß nur, dass ich es in genau dem Moment gebraucht habe. Wir haben nach dem Gottesdienst Kuchen gegessen und Fotos gemacht, jeder war in ausgelassener Stimmung, weil Weihnachten ist und wir das zusammen feiern können. Auch ich habe meine Freude vom Vormittag wiedergefunden und konnte wieder lächeln.
Anschneiden des Kuchens, das gehört immer dazu…
Das ist die Ongur Kirche von außen
P.S.: Nur falls ihr euch wundert, warum einige Mädchen an Weihnachten im Hostel bleiben: in der Schule gibt es am Anfang jeder Ferien für die 10. bis 12. Klassen noch „coaching classes“, so was wie Intensivierungsunterricht. Jeder der 4 Tage wird einem Schulfach gewidmet, sodass ein vertiefterer Zugang zum Stoff möglich ist, als in den normalen 45 Minuten-Schulstunden. Dieser Unterricht fand am 23. (ja, es war Unterricht am Sonntag), 24., 26. und 27. Dezember statt. Weihnachten war ein freier Tag, den wir sehr entspannt angegangen sind. Es war natürlich sehr schwer für die SchülerInnen, Weihnachten fern von ihren Familien zu verbringen, also saßen wir alle im gleichen Boot. Aber wir hatten uns immerhin gegenseitig und haben uns eine schöne Zeit gemacht. Endlich wurde auch die schöne Dachterrasse des Hostels geöffnet, die seit meiner Ankunft immer mit einem Schloss versperrt gewesen war. Der Ausblick ist einfach toll und es ist so schön ein bisschen Sonne zu tanken, umgeben von den Baumkronen der Mango-, Neem- und Coconut-Trees.
Damit verabschiede
ich mich auch schon wieder, ich wünsche allen ein gesegnetes
Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2019!
Hier bin ich wieder aus dem sonnigen Kuppayanallur! Seit dem letzten Beitrag ist wieder viel passiert und bitte lest bis zum Schluss, der ist dieses Mal das Wichtigste!
Hostel Day
Im Januar wird in Kuppayanallur der Hostel Day stattfinden, eine große Feier, bei der alle Hostelbewohner im Mittelpunkt stehen und ein großes Programm auf die Bühne gebracht wird. Vorbereitend wurden im November zahlreiche Wettbewerbe und Sportaktivitäten durchgeführt, bei denen Teams gegeneinander angetreten sind. Im Boy Hostel „Loyola Illam“ gab es 4 Gruppen, bei uns im Gracy Illam Hostel nur 2 Gruppen. In jeder der Gruppen waren alle Altersklassen vertreten und Geschwister sowie beste Freundinnen wurden bewusst getrennt. Vier Wochen lang ist ein gnadenloser Kampf zwischen „Sarawathi“ und „Athirathi“, den beiden Teams, ausgebrochen und hat für Spannungen im positiven und negativen Sinne gesorgt.
Zuerst fanden die Sportarten draußen statt, Throwball, Volleyball, Hitting the ball below the knee (ein Spiel bei dem eine Gruppe die andere mit einem Ball unterhalb des Knies treffen muss) und Gogo (ein tamilisches Spiel, das traditionell eher von Frauen ausgeübt wird und dessen Regeln für mich sehr kompliziert erscheinen…). Die Jungs hatten natürlich auch noch Fußball, obwohl es mich immer wieder wundert, wieso ich trotz des großen Cricket-Fanatismus in Indien auf diesem Campus noch nie jemanden Cricket habe spielen sehen…
Das ist Gogo:
Danach gab es Indoor games(Chain Checkers, Schach und Carrom, ein Schnip-Spiel), die sehr beliebt sind bei den Mädels. An einem Sonntag Vormittag haben wir Fun Games angeboten, die sehr sehr lustig waren und Teamgeist gefordert haben. Beim letzten Spiel (möglichst viele Kerzen mit einem einzigen Streichholz anzünden) wurden so einige verbrannte Fingerkuppen in Kauf genommen, nur um dem eigenen Team den Sieg zu sichern!
An den Abenden fanden Wettbewerbe im Zeichnen, Gedicht schreiben, Essay schreiben, Allgemeinwissen und Schulbuchwissen statt, die von ausgewählten Teammitgliedern bestritten wurden. Zusätzlich gab es noch Group Dance, Singing Contest und Monoact, meine persönlichen Favoriten. Es ist einfach immer wunderbar, wenn die Mädels tanzen! Selbst wenn sie ein paar Schritte durcheinander bringen, so ist die Gesamtperformance einfach bewundernswert, genauso wie die schönen Kleider und der Schmuck.
Beim Singen gab es eine riesige Überraschung: eine 7.Klässlerin, die normalerweise sehr ungehorsam und ungezogen ist und die von der Sister täglich hart bestraft wird für irgendwelche Missetaten, sie hat in ihrer Altersklasse gewonnen und eine unglaublich sanfte und reine Stimme. Ich habe schon oft mit einigen ausgewählten Mädels Lieder einstudiert, aber sie hatte ich nie auf dem Schirm. Das lag, wie ich beschämt zugeben muss, wahrscheinlich an ihrer aufmüpfigen Art, keiner im Hostel hat ihr diese Stimme zugetraut. Sogar die Sister hat drei Tage lang nur Lobeshymnen auf sie ausgesprochen und sie nicht mehr so hart rangenommen. Sie ist seitdem ein fester Bestandteil unserer Singing group! Der Hostel Day ist wirklich eine Chance, verborgene Talente ans Licht zu bringen, ich bin sehr froh über diese Chance.
Auch beim Monoacting war diese 7.Klässlerin am Start. Monoacting bedeutet, dass eine Person alleine ein Theaterstück aufführt, aber dabei alle Rollen übernehmen muss. Wie man das anstellt, ist der Kreativität der Schauspielerin überlassen.
Leider ist die Zeit der Wettbewerbe jetzt vorbei, weil die Klausurenphase begonnen hat. Aber wir hatten eine tolle Zeit und am Hostel Day im Januar wird dann die Sieger-Gruppe gekürt (obwohl man mir gesagt hat, dass die Verlierer-Gruppe die gleichen Preise bekommen wird, da es sonst eine Rebellion gibt 😀 )
Schneidersitz
In einem Gespräch mit zwei Jesuiten beim Mittagessen habe ich neulich erfahren, dass in Tamil Nadu Frauen traditionellerweise nicht mit übergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl sitzen sollen, vor allem nicht in der Gegenwart eines Mannes. Zum einen ist diese Sitzposition anscheinend nicht gut für den Körper, zum anderen hat es etwas mit Respekt zu tun. Die hier übliche Sitzposition ist eindeutig der Schneidersitz (natürlich eher auf dem Boden als auf einem Stuhl, obwohl ich das auch schon oft gesehen habe). Jeder, und da gibt es wirklich keine Ausnahmen, setzt sich im Schneidersitz auf den Boden.
In Deutschland habe ich mir eigentlich immer andere, gemütlichere Sitzpositionen auf dem Boden ausgesucht, aber 5 Monate Training haben auch mich fast schon zu einer Ausdauer-Schneidersitz-Sitzerin gemacht. Natürlich sitzt man auch in Deutschland im Schneidersitz, aber es gibt dort überall Stühle oder Bänke oder andere Sitzgelegenheiten, sodass man nur selten auf den Boden ausweicht. Nach meiner Erfahrung ist das Auf-dem-Boden-Sitzen in Tamil Nadu kulturell geprägt und es ist auch sehr platzsparend, muss ich zugeben. Es passen viel mehr Menschen in eine Kirche oder in eine große Halle für eine Veranstaltung, wenn nicht jeder einen eigenen Stuhl hat oder man Bänke aufstellen muss. Zwar schlafen mir immer noch regelmäßig die Füße ein, denn nach 1 h Rosenkranz auf dem steinigen Boden draußen brauchen meine Beine einfach ein bisschen mehr Bewegung… Aber ich habe auch buchstäblich ein bisschen die Perspektive wechseln können, dadurch dass ich meine Umgebung jetzt sehr oft von einer Stufe weiter unten sehe. Vor allem beim Essen habe ich festgestellt, dass ein Tisch und Stühle eine große Distanz schaffen können. Manchmal bleibe ich zum Essen im Hostel und setze mich zu den Mädels. Die Teller vor uns auf dem Boden schaufeln wir uns Reis und Sambar in den Mund und lachen gemeinsam. Von links oder rechts oder vorne werde ich ab und zu liebevoll mit einem Häufchen Reis gefüttert um zu testen, ob Reis mit Sambar von Virginiyas oder Sandhias Teller und Reis mit Sambar von meinem Teller gleich schmeckt 🙂
Eingequetscht zwischen Hemden und Granatäpfeln
Ich bin jetzt schon oft von Kuppayanallur nach Chennai und wieder zurück gereist, inzwischen finde ich den Weg auch gut alleine. Man fährt zuerst von Uthiramerur (der Stadt neben Kuppayanallur) nach Chengalpattu mit dem Bus, dann nimmt man einen Zug nach Chennai.
Als ich vor zwei Wochen nach einem Wochenendbesuch den Rückweg angetreten habe und in Chengalpattu aus dem Zug gestiegen bin, hastete ich zum Busbahnhof, der zwei Straßen neben dem Zuggleis liegt. Ich bin zu einer der vielen Straßenverkäuferinnen gelaufen, um mir eine Granatapfel-Erfrischung zu gönnen. „Munu“ sage ich zu der Frau, um zu zeigen, dass ich drei Früchte haben möchte. Da ich keine Ahnung habe, wie viel drei Granatäpfel kosten, halte ich ihr mit fragendem Blick einen 100 Rupee-Schein hin. „Anju“ ist ihre Antwort, „fünf“. 500 Rupees? Das finde ich dann doch ein bisschen viel für drei Granatäpfel, aber ich bin sehr schlecht im feilschen, vor allem durch mein begrenztes Tamil, und ich habe keine Zeit mehr, um woanders hin zu gehen. Also ziehe ich noch 4 weitere 100 Rupee Scheine aus dem Geldbeutel und nehme mir vor, Brother Thomas nach meiner Rückkehr mal nach dem echten Preis für das nächste Mal zu fragen.
Doch die Verkäuferin schaut mich fassungslos an, eine Tüte mit 5 Granatäpfeln in der Hand. Dann dämmert mir, dass ich da wohl etwas missverstanden habe… für 100 Rupees gibt es 5 Granatäpfel, nicht nur 3! Peinlich berührt halte ich ihr den 100 Rupee Schein hin, sie nimmt ihn und fängt an mich auszulachen, dreht sich zu ihrer Nachbarin am nächsten Stand um und erklärt ihr, atemlos vom lachen, dass ich für drei Granatäpfel 500 (!) bezahlen wollte. Die Geschichte breitet sich wie ein Lauffeuer um mich herum aus, was mir unglaublich peinlich ist, aber ich habe beschlossen, mitzulachen ist der bessere Weg als verärgert zu sein. Zu meinem Glück habe ich in diesem Moment meinen Bus entdeckt, der sich zum Losfahren bereit gemacht hat.
Er war schon sehr voll, sodass ich keinen Sitzplatz bekam, aber das ist an sich nicht weiter schlimm. Ich hatte aber zwei Taschen dabei und noch meine Granatäpfel, und in Bussen muss man seinen Rucksack immer abnehmen, um mehr Platz für die anderen Fahrgäste zu machen. Also klemmte ich mir meine Habseligkeiten zwischen die Knie und versuchte, mich möglichst klein zu machen. Sobald jemand entdeckt hat, dass die weiße Frau dort am Eingang des Busses stehen muss, kam Bewegung in die Menge. Ich wurde gewarnt, dass es am Eingang sehr gefährlich werden kann, ich sollte lieber in die Mitte des Busses kommen. Meine Taschen sollte ich aber dort stehen lassen, weil in der Mitte keine Abstellfläche dafür vorhanden ist. Ich wollte sie aber wirklich nicht unbeaufsichtigt da stehen lassen, so vieles was mir lieb und teuer ist war in diesen Taschen. Aber ich wurde von der Masse an Menschen weggedrängt und hatte nur noch meine Granatäpfel und mein Geld, an die ich mich klammerte. Ich sah in der Mitte des Busses eine Frau, die ich aus dem Dorf kannte (wenn auch nicht mehr ihren Namen), und habe mich zu ihr gesellt. Sie hat mir ein bisschen erklärt, wie das in den tamilischen Bussen so läuft, und dass meine Taschen in Sicherheit wären. Eng gedrängt an sehr viele Menschen fuhren wir eine Stunde bis nach Uthiramerur, und es kamen immer mehr dazu, weil Chengalpattu erst die erste Haltestelle des Busses gewesen ist. Meine Gesprächspartnerin war aber total super und hat mir geholfen, in dem Gedränge meine Fahrkarte zu kaufen ohne umzufallen (denn der Bus ist ja währenddessen gefahren) oder meine Granatäpfel zu schützen. Ich habe mich immer wieder ängstlich nach meinen Taschen umgeschaut, aber es waren einfach zu viele Menschen. Aber dann passierte etwas sehr erstaunliches. Ein Mann neben mir hatte bemerkt, wie unwohl ich mich wegen des Gepäcks fühlte und rief einem seiner Freunde zu, dass sie doch meine Taschen vom Eingang herüberreichen sollten. Ich war ihm so dankbar, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte, aber wir waren eh schon so eng aneinander, dass ich das im Prinzip schon tat. Wiedervereint mit meinem geliebten blau-weiß-gepunktetem Rucksack und meiner Tasche fühlte ich mich gleich viel besser und konnte die restliche Busfahrt mit meiner Beschützerin mehr genießen.
Mein Fazit aus dieser Erfahrung ist, dass viele Menschen auf einem Fleck sehr bedrohlich und beengend sein können, aber dass es gleichzeitig immer unter ihnen welche gibt, die ein sehr gutes Herz haben und die einen vor dem (möglichen) anderen kleinen Prozentteil schützen, der es vielleicht nicht so gut meint.
Happy X-Mas
Weihnachten ist im Anmarsch und ihr in Deutschland seid vielleicht schon im Geschenke-Modus, vielleicht urlaubsreif, vielleicht besinnt wenn ihr euren Adventskranz anschaut, vielleicht genießerisch auf dem Christkindlesmarkt bei einer Tasse Glühwein.
In Kuppayanallur versteckt sich die Adventszeit noch ein bisschen, wir haben keinen Adventskranz und noch keine Weihnachtsdeko, wir backen keine Plätzchen (es gibt keinen Ofen und wir haben wegen den Klausuren auch kaum noch Zeit, um etwas anderes auszuprobieren) und es gibt keinen Weihnachtsmarkt.
Aber es kommt langsam! Eine alljährlich große Aktion ist das Bauen der Krippe im Hostel. Eine Gruppe von älteren Schülerinnen hat sich dieser Aufgabe angenommen und wir haben letzten Sonntag mit Stöcken und Stofffetzen das Grundgerüst gebaut. Verziert wird sie mit Schals, die es in Indien in allen möglichen Mustern und Farben gibt. Vor der Krippe, deren Boden ein Tisch bildet, wurde auf einer Fläche von vielleicht 2 Quadratmetern Erde verteilt.
Kleine Samen wurden dort gepflanzt und gerade beginnen kleine Pflänzchen daraus zu sprießen, das ist wirklich schön anzusehen! Nur die Figuren fehlen jetzt noch, bis übermorgen muss sie fertig sein.
Außerdem hatten wir vor einer Woche die Christmas Celebration in der Schule (der Schulleiter wollte das noch vor den Klausuren machen, damit die SchülerInnen nicht von irgendwelchen Proben oder Vorbereitungen vom Lernen abgelenkt werden). Es gab viel Weihnachtsdeko, aber für mich persönlich trotzdem kein Weihnachtsgefühl. Das könnte am Wetter gelegen haben, strahlender Sonnenschein bis um 15 Uhr, dann kleine Wölkchen. Oder es könnte daran gelegen haben, dass ich kaum etwas verstanden habe, denn mein begrenzter Wortschatz in Tamil reicht noch nicht aus, um eine Festrede oder eine Bibelstelle zu verstehen. Mir wurde danach erzählt, dass die Rede wirklich gut war und es darum ging, dass Weihnachten und Jesus für alle da sind, egal welcher Religion sie angehören. Es gibt zahlreiche LehrerInnen und SchülerInnen an unserer Schule, die Hindus sind. Aber die Botschaft von Liebe und Hoffnung kann auch ihre Herzen erreichen.
Am Ende kam Santa Claus vorbei, der ein sehr alberner und lustiger Kauz war und ständig tanzen und Hände schütteln wollte. Eingefahren wurde er auf einem Anhänger-Wagen, auf dem er kleine Kunststücke mit einem Mini-Fahrrad vorführte. Die Kinder hatten unglaublich viel Spaß mit ihm und das ist die Hauptsache!
Leider wurde die Weihnachtsdeko nach der Feier wieder abgenommen, aber ich hoffe, dass wir im Hostel vielleicht noch ein bisschen was herrichten können, außer der Krippe.
Wo wird Jesus dieses Jahr geboren?
Weihnachten wird überall auf der Welt gefeiert, jedes Jahr zur gleichen Zeit, jedes Jahr in ähnlicher Tradition. Aber sollte Weihnachten wirklich jedes Jahr gleich sein? Ist nicht gerade die Botschaft der heiligen Nacht, dass etwas Neues kommt, etwas auf das wir hoffen können? Es ist eine Botschaft der Liebe, die natürlich immer erneuert werden muss, aber wir können ihr jedes Jahr aufs Neue eine besondere Bedeutung geben, eine Bedeutung, die auf unsere Welt HEUTE passt.
Ich möchte euch einladen, dieses Jahr an Weihnachten darüber nachzudenken, wo Jesus heute gebraucht wird. Wo könnte er in diesem Jahr geboren werden, um durch die Liebe neue Hoffnung zu schenken?
Natürlich könnten wir jetzt gleich heraus Orte wie Syrien oder Jemen nennen, die schreckliches durchleben und keine Hoffnung mehr haben. Doch wir müssen unseren Blick gar nicht so weit weg werfen, auch in unserem direkten Umfeld gibt es Hoffnungslosigkeit oder Lieblosigkeit. Vielleicht ist bei Bekannten ein geliebter Mensch in ihrer Familie gestorben und es ist das erste Weihnachten, das sie ohne ihn oder sie verbringen. Vielleicht kennt ihr jemanden, dessen Zukunft sehr ungewiss ist, weil sich einiges im Leben gegen ihn oder sie gewandt hat. Bei diesen Menschen wird Weihnachten wirklich gebraucht und es gibt noch viel mehr Situationen wie diese.
Mein Weihnachten wird ohne Zweifel anders werden, als in den Jahren zuvor. Ich möchte mit euch teilen, wo in Tamil Nadu/Kuppayanallur dieses Jahr Jesus geboren werden könnte.
… Eine Tante der Hostel-Sister liegt seit September im Krankenhaus, weil sie sich bei einem Sturz das Bein und die Hüfte zertrümmert hat. Sie kann immer noch nicht operiert werden, weil ihr Körper zu schwach dafür ist, deshalb leidet sie im Bett liegend vor sich hin und betet für ihren Tod. Da sie selbst Sister ist, hat sie keine Kinder oder einen Ehemann, der sich um sie kümmert oder sie besucht. Nur manchmal kommen entferntere Verwandte, um sie zu sehen, aber in Madurai, wo sie im Krankenhaus liegt, gibt es niemanden. Täglich telefoniert sie mit unserer Hostel-Sister und bittet sie um einen Besuch, aber die Sister kann auch nicht jede Woche kommen, weil sie ja hier 34 Mädels hat, um die sie sich kümmern muss. Ich sehe, wie sehr der Zustand ihrer Tante die Sister bedrückt und dass sie Schuldgefühle hat, weil sie ihr nicht beistehen kann. Jesus könnte dieses Jahr in diesem Krankenhaus in Madurai geboren werden. Er könnte der leidenden Tante ihren Lebenswillen zurückgeben und für ihn würde sie ums Überleben kämpfen. Wir können im Moment nur für sie beten und hoffen, dass ihr ein Wunder widerfährt.
… Der Zyklon Gaia hat im Süden von Tamil Nadu großen Schaden angerichtet. Er ist genau in die Regionen gekommen, in denen viel Landwirtschaft betrieben wird und hat dort unbarmherzig gewütet. Jahrzehnte alte Bäume wurden entwurzelt und sind auf die Kaffeeplantagen gestürzt, die sie eigentlich beschützen sollten. Ganze Bananenplantagen gleichen nun einem Schlachtfeld, kein Baum steht mehr. Viele Reisfelder werden dieses Jahr keine Ernte einbringen, weil sie durch den Regen oder umherfliegende Trümmer geschädigt wurden. Man kann sich die genaue Hektaranzahl der zerstörten Fläche anschauen, aber was dabei verloren geht, ist die Tatsache, dass tausende Farmer nun keine Lebensgrundlage mehr haben und vor dem Nichts stehen. In der Zeitung habe ich von dem traurigen Schicksal eines Bananen-Bauern gehört, der sein ganzes Geld und all seine Energie in seine Bananenbäume gesteckt hat. So wie sich jemand eine Wohnung/ein Haus als Absicherung und Geldanlage kauft, so hat er sich auf seine Bananen verlassen. Er war durch sie ein wohlhabender Mann geworden, der seine drei Kinder auf eine gute Schule schicken kann und in einem Haus wohnt. Nun sind 95% seiner Bäume zerstört und er kann sich die Bildung seiner Töchter nicht mehr leisten, weil seine einzige Einnahmequelle, seine Absicherung, sein Haus und sein Leben zerstört sind, und das nur durch Gaia. Die Regierung verspricht natürlich Entschädigungsgelder (aber weil es ein Naturphänomen war natürlich nur in begrenztem Umfang). Aber die Entschädigungsgelder von der großen Flut in Chennai 2015 sind teilweise heute noch nicht angekommen, also muss sich die Bevölkerung wohl noch eine Weile gedulden. Geduld ist ohne ein Haus oder Geld natürlich schwierig, die Situation ist für so viele einfach nur hoffnungslos. Ich wünschte, Jesus würde dieses Jahr in einem Reisfeld oder einer Kaffeplantage zur Welt kommen und den einfachen Menschen, wie damals den Hirten, seine Botschaft verkünden.
… Und schließlich würde ich mir wünschen, dass Jesus in unserem Hostel geboren wird. Ich kann gut verstehen, dass keinem der Hostel-Kinder das Leben dort gefällt. Es gibt kaum Freizeit und sie können nicht sie selbst sein, denn sie müssen sich an so viele Regeln und vorgeschriebene Rollen halten. Manchmal gibt es natürlich viele sehr schöne und lustige Momente, aber auch dann fühlt es sich an, als würden die Kinder an der kurzen Leine gehalten, weil im nächsten Moment schon die Dutytime oder die Studytime anfängt. Ich würde mir von Weihnachten dieses Jahr wünschen, dass die SchülerInnen für das gelobt werden, was sie gut machen. Dass nicht immer nur das Schlechte und die Fehler gesehen werden, sondern auch die Talente und Besonderheiten jedes/jeder einzelnen. Ich möchte, dass Jesus hier geboren wird, damit die Kinder nach Weihnachten gerne hierher zurück kommen und damit sie hier mehr Freude und Anerkennung erfahren können. Gleichzeitig soll der Segen der Heiligen Nacht auch bis in ihre Familien reichen, denn es gibt einfach zu viele tragische Schicksale in den Leben meiner geliebten Mädels. Alkoholismus ist leider sehr verbreitet in den villages von Tamil Nadu, er ist wie ein Geschwür und kann ganze Familien kaputt machen. Außerdem sind über die Hälfte der Hostelmädchen Halbwaisen, eine traurige und für mich sehr erschreckende Erkenntnis, die mich immer wieder trifft, wenn ich die Geschichten der Mädchen höre.
„Wer Freude genießen will, muss sie teilen.“ – Lord Byron
Ich möchte euch eine Möglichkeit anbieten, dieses Weihnachten zu einem besonderen Weihnachten zu machen. Wenn ihr im Geschenke-Stress durch die Straßen lauft, denkt an eines meiner Hostelmädchen in Kuppayanallur. Sucht ihr ein kleines Weihnachtsgeschenk aus, mit dem man ihr eine Freude machen könnte. Statt das Geschenk zu kaufen und hierher zu schicken, könnt ihr den Preis aufschreiben und ihn auf das Spendenkonto für Kuppayanallur überweisen. Das Geld von diesem Konto wird ausschließlich für die Schule und das Hostel verwendet, die den Mädels eine gute Bildung, ein sicheres Dach über dem Kopf und dreimal am Tag eine gute Mahlzeit bieten (was keine Selbstverständlichkeit wäre, wenn sie daheim leben würden). Selbst ein kleines Geschenk in Deutschland, das vielleicht 3 € kostet, ist in Indien sehr wertvoll, denn das wären schon fast 250 Rupees (also 12 ½ Granatäpfel :D).
Damit ihr auch eine kleine Vorstellung von meinen Mädels habt, schicke ich euch hier zu jedem Kind eine kleine Charaktereigenschaft, anhand der ihr euch jemanden und vielleicht auch das Geschenk aussuchen könnt, wenn ihr die Chance nutzen möchtet. Vielleicht findet ihr euch ja in einer Beschreibung selbst wieder… Ihre Namen habe ich geändert, aber ihre Einzigartigkeit wird dadurch nicht gestört.
Anni, die sehr verfroren ist und seit Oktober immer eine Vliesjacke trägt.
Katharina, die ein zuckersüßes Lächeln hat.
Shanti, die mich mit ihren großen braunen Augen täglich zum Schmelzen bringt.
Vivien, die Süßigkeiten über alles liebt.
Jabina, die quasi ständig kichert und an allem etwas lustiges finden kann.
Jenny, die schon in der 7. Klasse besser Englisch spricht als manche 12. Klässlerinnen.
Rebekka, die eine fleißige Messdienerin ist.
Nami, deren kleine Augen in der Night Study time immer kurz vor dem Zufallen sind.
Kasandra, die eine wunderschöne Stimme hat.
Anna, die täglich mit den Buchstaben kämpft, aber große Fortschritte macht.
Tina, die einfach ein verrücktes Huhn ist.
Rike, die mich täglich mit Mathefragen löchert.
Ramana, die sehr schön malen kann.
Abi, die immer heimlich nascht.
Namita, die für jede Aufgabe immer bereit steht und sich freiwillig meldet.
Sara, die Ärztin werden möchte und unglaublich klug und fleißig ist.
Vicki, meine treueste und begabteste Sängerin.
Tamara, die immer eine Gruselgeschichte oder einen Scherz auf Lager hat.
Chrissi, die eine unglaublich angenehme und sanfte Gesellschaft ist.
Kathrin, die mehr als alle anderen lernt und ein Vorbild für viele ist.
Kathrina, die gerne mit ihrem Freund zusammen wäre, aber das ist hier verboten.
Sheela, die immer hilfsbereit und offen auf andere zugeht.
Pia, die unglaublich gut tanzen kann.
Vanessa, die eine Vorliebe für die sauren Tamarind Früchte hat.
Janina, die sich oft für ihre Freunde aufopfert.
Sabrina, die so schnell rennt, dass sie schon auf einem Wettbewerb in Delhi war.
Davalakshmi, die sehr aufmerksam und fürsorglich ist.
Solila, die mal eine sehr starke Frau werden wird.
Felixia, die immer das Positive sehen kann.
Stefanie, die alle zum Lachen bringt mit ihrer tapsigen Art.
Pungili, die eine gute Gesprächspartnerin und Freundin ist.
Vasha, die sich nie unterkriegen lässt.
Lilly, die sich mit auswendiglernen schwer tut.
Amala, eine Naturschönheit mit Schauspieltalent.
Vielen Dank an alle, die an diesem Weihnachten einen kleinen Segen nach Indien schicken, er wird auf fruchtbaren Boden treffen!
Hier noch einmal als Erinnerung die Daten des Spendenkontos:
Nach langer Wartezeit melde ich mich mal wieder mit ein paar Eindrücken aus Tamil Nadu 😀 Im letzten Monat sind immer mehr Aufgaben und Veranstaltungen für mich dazugekommen, dadurch hatte ich leider nur wenig Zeit, um einen weiteren Beitrag zu schreiben. Es ist so viel passiert seit dem letzten Mal, ich versuche euch hier einen groben Überblick zu verschaffen.
„Just taste and see“
Mit diesen Worten reagierte Father Samy auf meinen entsetzten Blick, als er vor meinen Augen eine Banane mitsamt Schale verspeiste. Ich war skeptisch. All meine Lebenserfahrung sagte mir, ich sollte das besser lassen, schließlich wurde mir seit Kindertagen beigebracht, dass man Bananen schälen muss vor dem Essen. Und wer schon mal Bananenschale probiert hat, wird bestätigen, dass sie nicht sehr gut schmeckt. ABER: ich habe gelernt, dem Father in Sachen Essen stets zu vertrauen, weil es sich meistens sehr lohnt. Er sagte, dass in der Schale sehr viele Vitamine und andere gesunde Sachen stecken, die verloren gehen, wenn ich die Schale wegschmeiße. Mit „just taste and see“ hat sich seit Beginn des Einsatzes meine Einstellung zu neuem Essen sehr geändert! Also griff ich nach der nächstbesten Banane, schloss die Augen… biss hinein… und was für ein tolles Geschmackserlebnis! So viel Frische! Man muss dazu sagen, dass diese Essensmethode nur bei dieser bestimmten Art von Banane möglich ist. Die Schale von „normalen“ Bananen vertragen wir nicht! Also BITTE NICHT NACHMACHEN! Wie ich bereits im ersten großen Blogartikel geschrieben habe, gibt es in Indien von allen Arten von Essen nochmal zig verschiedene Varianten. Bei Bananen und Mangos ist das besonders auffällig, weil der Geschmack auch spürbar unterschiedlich ist! Es gibt große, kleine, dicke, dünne, gelbe, rote, süße und eher saure Bananen. Die spezielle „variety“, bei der man die Schale essen kann, ist sehr teuer und ich habe erfahren, dass es sogar Wartelisten bei den Händlern gibt, auf denen Kunden sich eintragen müssen, um in naher Zukunft diese Früchte genießen zu können! Wir haben das Glück, dass Father Samy selbst Bananenbäume dieser variety gepflanzt hat, weshalb er hin und wieder ein paar dutzend davon mitbringt.
Außerdem hat er mich neulich zu sich gerufen und mir 2 Früchte der weltschärfsten Chilli gezeigt, die man ohne Handschuhe nicht einmal anfassen sollte. Aus diesen Chillis wurde „Pickle“ hergestellt, so etwas wie eine Paste, die sehr sehr intensiv schmeckt. Irgendwie haben unsere Köchinnen es geschafft, die Schärfe in Süße umzuwandeln, und hin und wieder genießen wir das Chilli-Pickle mit Reis:)
Lehrerinnen-Ferien
Zwischendurch waren mal wieder 4 Tage frei und die HostelschülerInnen sind nach Hause gegangen. Ich habe mich dazu entschlossen in Kuppayanallur zu bleiben, um die Dinge zu tun, für die ich in der Schulzeit keine Zeit finde. Ich habe zwei meiner Lehrer-Kolleginnen besucht, die in der Nähe wohnen. Im Haus von Christina Miss gab es unglaublich leckeres Essen, sie kann schon kochen, seit sie in der vierten Klasse gewesen ist, und hat deshalb viiiiel Erfahrung!
Der orangefarbene Reis in der Mitte ist Chicken Biriyani; oben von links nach rechts: Banane, eine Brinjal-Soße, ein süßes Gebäck (rund, hellbraun und total lecker), ein gekochtes Ei, Zwiebel-Karotte-Granatapfel-Koriander-Salat mit Joghurt, Chicken 65 (eine Delikatesse!) und Ananas-Kaiseri (ebenfalls süß). Das ganze wird serviert auf einem gewaschenen Bananenblatt, das man nach dem Essen einfach zusammenklappt.
Auch mit Manimala Miss, der Lehrerin aus dem Hostel, bin ich mehr in Kontakt gekommen, denn sie und ich waren die einzigen, die geblieben sind. Vor diesen Ferien haben wir nicht wirklich viel miteinander geredet, weil ich kaum Tamil sprechen kann und sie sehr schüchtern im Englisch reden ist. Aber das Eis wurde in diesen vier Tagen gebrochen und wir werden jeden Tag mehr zu Freundinnen.
Manimala Miss, Sister Gaspar Mary und ich. Wir sind zusammen im Hostel für die Mädels da.
Insgesamt habe ich viel mehr Kontakt zu den Lehrerinnen seitdem, ich besuche sie jeden Tag im Lehrerinnen Zimmer und lerne viel über Indien, über die tamilische Sprache aber auch über das Lehrerdasein von ihnen. Ich bin sehr dankbar, dass sie mich so herzlich und offen aufnehmen!
Functions, functions, functions
(Das Wort „Function“ wird hier für Feste und Feierlichkeiten aller Art verwendet; ich habe es als Englisches Wort in diesem Zusammenhang vorher noch nie gehört, aber ich vermute es ist ein Wort aus dem Tanglischen, dem tamilischen Englisch 🙂 )
In letzter Zeit haben viele Feste stattgefunden in unserer Umgebung, ich darf mich glücklich schätzen, dass ich vielen davon beiwohnen durfte!
Da war zum einen die Einweihung der neuen Kirchein Papanallur. Als mich die Jesuiten gefragt haben, ob ich mit ihnen dorthin kommen möchte, habe ich einen kleinen Gottesdienst mit dem ganzen Dorf und vielleicht noch einen tea für alle im Anschluss erwartet. In 2h, so dachte ich, bin ich wieder daheim. Wie sehr ich mich geirrt habe! Das Fest war gigantisch groß, alles war bunt und laut und voller Lichter und Menschen. Die Straße, die zur Kirche führt, war schon zweihundert Meter vor der Kirche mit Fahnen und Lampen und Tüchern geschmückt worden, dort fand zunächst eine Prozession mit einer Marienstatue und Trommelmusik statt.
Auch aus allen Nachbardörfern sind die Menschen zu der Kirche gekommen, um das Fest mit ihrer Nachbargemeinde zu feiern. Es waren etwa 20 Priester da und der Bischof hat eine Flagge mit der Jungfrau Maria gehisst und ist als erster in die Kirche geschritten. Der Gottesdienst hat 3 Stunden gedauert. Ich hatte eine „Aufpasserin“, eine 11.Klässlerin aus der Schule, an meiner Seite, die mich ins Innere der Kirche gezogen hat. Außen gab es auch ganz viele Stühle zum Sitzen, weil bei weitem nicht alle Menschen in der Kirche Platz hatten. Ich wollte der Heimatgemeinde eigentlich den Vortritt im Innenraum der Kirche lassen, aber meine Begleitung war der Meinung, dass ich unbedingt das Geschehen aus nächster Nähe sehen muss. Und so fand ich mich plötzlich in einer Ecke der Kirche wieder, wo nur Kinder saßen. Ich bin schon im Vergleich zu Erwachsenen hier sehr großgewachsen, aber an diesem Abend kam ich mir neben den Kindern noch dreimal auffälliger und größer vor. Im Anschluss an den Gottesdienst gab es Essen, natürlich Biriyani, was sonst!
6 Stunden nachdem wir in Kuppayanallur gestartet sind, haben wir dann vom Fest aus wieder die Heimreise angetreten. Eigentlich sind es nur 20 Minuten mit dem Auto, aber wir haben fast 90 Minuten gebraucht, weil unser Tank auf halber Strecke leer geworden ist, mitten im Nirgendwo. Die Tankanzeige im Jeep ist schon länger kaputt und irgendwie war auch noch der Hebel abgebrochen, mit dem man die Motorhaube aufmachen kann. Dadurch hat es nochmal länger gedauert, aber schließlich sind wir dann doch zu Hause angekommen. Situationen wie diese haben mich gelehrt, Dinge öfter einfach so hinzunehmen wie sie sind. Sich aufzuregen hätte einfach nichts genützt sondern nur die Stimmung verschlechtert. Und so haben wir eine lustige Stunde unter den Sternen verbracht…
Ein weiteres Fest zu einem sehr traurigen Anlass war einen Tag vorher in Kuppayanallur gefeiert worden. Ein Schüler aus der 7. Klasse unserer Schule ist beim Baden in einen Wassertank gefallen und ertrunken. Seine Familie hat noch am selben Tag eine Totenaufbahrung und die Beerdigung organisiert. Da es ein Feiertag war, aber alle Lehrer für ein Meeting in der Schule waren, sind wir als große Gruppe zu seinem Haus gegangen, um bei seinem Leichnam für ihn zu beten und seiner Familie beizustehen. Es war sehr berührend und traurig, schließlich war er noch so jung. Ein paar Tage zuvor ist er vielleicht noch einem der Lehrer auf die Nerven gegangen (er war ein sehr aktiver junge, hat man mir erzählt) oder einen Baum hochgeklettert (eine seiner Leidenschaften), jetzt wird er für immer schlafen. Mich hat dieser Tag gelehrt, dass jeder Tag, den wir erleben dürfen, etwas unglaublich wertvolles und besonderes ist. Bereits jetzt durfte ich mehr Tage erleben, als der Junge in seinem kurzen Leben, das macht mich dankbar und traurig zugleich. Ich werde noch oft an ihn denken, sein Name war Sunil.
Eine Lehrerin aus dem Sekretariat ist im neunten Monat schwanger, und hat mich letzte Woche auf eine Feier in ihrem Haus eingeladen, die vorbereitend für die Geburt des ersten Kindes in jeder Familie in Tamil Nadu gefeiert wird. Die Frau wird gesegnet und es gibt ganz viele Zeremonien, die sehr anstrengend aussahen. Wie sie das im neunten Monat durchgehalten hat, ist mir schleierhaft. Sie stand z.B. 20 Minuten lang vornübergebeugt, die Hände auf drei Pötten mit Wasser abgestützt, und über ihrem Rücken wurden über ein Bananenblatt in eine Schüssel Coconut-Water, Milch und Wasser geschüttet. Jede ihrer Cousinen (und es waren viele!) hat dies dreimal gemacht, dann konnte sie sich wieder aufrichten. Diese Zeremonie soll das Kind segnen und sicherstellen, dass es ein wohlhabendes Leben führen wird. Danach zieht sich die Frau um und setzt sich neben ihren Ehemann. (Die Ehemänner in Tamil Nadu rasieren sich weder Bart noch Haare, solange ihre Frau schwanger ist, denn sie sollen keine scharfe Klinge berühren, wenn ein Kind unterwegs ist.) Das Ehepaar wird von den Gästen der Feier gesegnet, indem sie Blumen über ihnen streuen, ihnen Essen in den Mund schieben, sie an verschiedenen Stellen mit einer braunen Farbmischung oder rotem Pulver (mir wurden diese Stoffe als „sandal-colours“ vorgestellt) bemalt werden. Der Frau wird von jedem Gast ein paar Bangals (klimpernde Armreife in Gold oder allen möglichen Farben) übergestreift, sodass danach ihr ganzer Arm voller schimmernder Ringe ist. Das klimpernde Geräusch soll das Baby glücklich machen und die Bangals werden bis zur Geburt nicht mehr abgenommen. Die ganze Feier wird veranstaltet, um der Frau die Angst vor der Geburt zu nehmen. Sie soll sich glücklich und geborgen fühlen im Kreise ihrer Liebsten, das überträgt sich dann auch auf das Kind und beide sind entspannter für den großen Tag. Ich hatte das Gefühl, dass es eigentlich ganz schön stressig für die Frau bei dieser Feier ist, aber das ist nur meine subjektive Meinung. Ich stand die ganze Zeit einfach nur staunend da und habe neue Eindrücke eingesogen. Am Ende gab es, wer hätte es gedacht, Biriynai!
Children‘s Day
Am 14. November wird in Indien der Children‘s Day gefeiert, in Gedenken an den ersten Premierminister Nehru, der bekannt war für seine Nähe zu und seinen Einsatz für Kinder. Im Gegensatz zum Teacher‘s Day imSeptember, bei dem allein die SchülerInnen das Programm gestaltet haben, sind am 14. November die LehrerInnen an der Reihe. Den Kindern werden Süßigkeiten mitgebracht und Glückwünsche zugerufen und die LehrerInnen zeigen ihr Können auf der Bühne zur Unterhaltung ihrer students. Zwei Tage vorher wurde im Lehrerinnenzimmer verkündet, dass einige Lehrerinnen einen Tanz aufführen werden. Ich wurde sogleich überzeugt, mich dieser Gruppe anzuschließen, auch wenn ich vorher so meine Bedenken hatte. Tanzen ist nicht gerade eine meiner Leidenschaften oder Talente… Aber: Wir hatten einfach eine unglaublich lustige Zeit beim Proben und auf der Bühne! Auch ein paar der anderen Lehrerinnen sind keine geborenen Tänzer, die Schritte wurden für uns extra einfach gehalten. Trotzdem: einen 5 Minuten langen Tanz an 2 Tagen zu lernen, ist eine Herausforderung. Den ganzen Dienstag und Mittwoch konnte man Lehrerinnen im ELT Room ein und aus gehen sehen, weil jeder, der gerade eine Freistunde hatte, zum Proben dorthin gegangen ist. Der Mittwoch (=14.November) kam und wir hatten erst zweieinhalb Minuten des Liedes mit Tanzschritten gefüllt! Irgendwie haben wir es aber noch geschafft, die zweite Hälfte am Vormittag zu lernen und am Nachmittag schon aufzuführen… Ich wurde in einen pinken Saree gekleidet, denn zum Tanz muss man sich natürlich schick machen! Überraschenderweise war es aber gar nicht hinderlich beim Tanzen, sondern hat mir eher das Gefühl gegeben, dass ich, obwohl tamilisches Tanzen Neuland für mich ist, wenigstens ein bisschen graziös dabei aussehe:D Außerdem wurden mir Armreife und Ketten angelegt und Blumen ins Haar gesteckt.
Die Kinder haben den Tag sehr genossen, das Theaterstück der männlichen Lehrer und der Tanz der Lehrerinnen waren die Highlights des Nachmittagsprogramms. Noch eine Woche später wurde ich auf dem Gang mit „Your dance was super“ oder „Miss, you on Wednesday in Saree? Very nice!“ begrüßt. Die Hauptsache ist, dass die Kinder Spaß hatten, kleine Patzer sind in der allgemeinen Hochstimmung gar nicht aufgefallen 🙂
In der Zeitung habe ich gelesen, dass am Children‘s Day 40 Kinder aus sehr armen Familien in Tamil Nadu die Chance erhalten haben, zum ersten Mal in ihrem Leben (vielleicht auch zum letzten Mal… ) in einem Flugzeug zu fliegen. Sie sind von Chennai nach Madurai und wieder zurück geflogen und während des Flugs war ein bekannter tamilischer Schauspieler zur Unterhaltung mit dabei. Diese Veranstaltung wurde von der Regierung organisiert, teilweise auch als Prestigeprojekt zu Wahlkampfzwecken… Dennoch hatten die Kinder bestimmt einen unvergesslichen Tag!
Das ELT-Programm
Alle SchülerInnen der 6. bis 8. Klassen sind Teil des English Language Teaching (ELT) Programms, das in den Schulen im Rahmen des Englisch Unterrichts praktiziert wird. Jede Woche gibt es zwei extra Englisch Stunden, die zur Vertiefung und Anwendung des Lernstoffes gedacht sind (es gibt sogar ein separates ELT-book für alle SchülerInnen). Zusätzlich werden die Klassen in Teams aufgeteilt (z.B. yellow, indigo, red, green, orange) und sammeln im Unterricht Punkte. Jeden Tag gibt es ein Pouch word, eine Vokabel, die an diesem Tag an einer Karte ans Revers geheftet wird und gelernt werden soll. Dreimal im Jahr gibt es die ELT-Assembly, bei der das Programm ausschließlich von ELT SchülerInnen und LehrerInnen gestaltet wird. Diese Woche war die zweite ELT Assembly in diesem Schuljahr, und ich habe mit einigen SchülerInnen den Prayer Song und einen kleinen Sketch vorbereitet. Außerdem gab es einen Action Song (When you‘re happy and you know it, clap your hands…), eine Lesung aus der Bibel, dem Koran und einem heiligen Buch der Hindus, eine Conversation über das Fällen eines Neem trees, eine Geschichte auf Englisch, eine Rede, etc. etc. Das meiste hat gut funktioniert und vor allem wir Lehrerinnen waren froh, als es endlich geschafft war! Wir haben bei jedem Satz mitgefiebert und mitgelitten, wenn jemand seinen Text vergessen hat:)
Seit einigen Wochen testen wir außerdem die Idee, wöchentlich ein Quiz-Programm für die ELT Klassen anzubieten. Wir haben mit der 8. Jahrgangsstufe angefangen und jetzt wechseln sich 6., 7. und 8. Klasse jede Woche ab. Bei dem Quiz werden 50 Vokabeln spielerisch abgefragt, die in der Woche vorher gelernt wurden. Die Klassen spielen innerhalb ihrer Jahrgangsstufe gegeneinander und sammeln Punkte. Da in jeder der Klassen ein bis zwei meiner Hostel Mädchen sind, kann ich mich nie entscheiden, für wen ich mitfiebern soll, aber es ist einfach schön zu sehen, mit wie viel Eifer die SchülerInnen dabei sind!
Das ELT-Programm trägt eindeutig Früchte, meine 8. Klassen sind viel enthusiastischer und aufgeweckter im Englischunterricht als die 9. Klassen, die das ELT-Programm nicht mehr mitmachen. Obwohl auch sie die letzten drei Jahre ELT-Englisch gelernt haben, trauen sie sich viel weniger in Englisch zu sprechen, als die 8. Klassen, die noch im Programm involviert sind. Das ist schade, finde ich!
Special Classes
Für eine Woche hatten wir an der Schule einen besonderen Gast. Ein Psychologie Professor mit einer speziellen Ausbildung in besonderen teaching-Methoden hat SchülerInnen, die Probleme mit dem Lesen oder der Rechtschreibung haben, das tamilische Alphabet und das Zusammensetzen von Wörtern spielerisch beigebracht. Er hat vieles über Lieder gemacht, außerdem mussten sich die SchülerInnen ständig bewegen, was ihnen sehr viel Spaß gemacht hat. Die 247 tamilischen Buchstaben hatte er auf Plättchen gedruckt und die mussten dann sortiert werden. Eine weitere Methode war, dass die Kinder am Ende des Unterrichts eine Buchseite aus einem ihrer Schulbücher laut (und mit laut ist wirklich sehr laut gemeint) vorlesen, und zwar alle gleichzeitig im Raum verteilt. Es hat sich angehört als wäre die halbe Schule im Raum und würde sich lautstark unterhalten, aber so wurde ihnen die Angst genommen, Fehler zu machen.
Dieser spezielle Unterricht wurde für ausgewählte SchülerInnen der 7. bis 10. Klasse angeboten, sogar an den zwei Feiertagen der Woche sind die SchülerInnen und LehrerInnen zu Professor Perumal gekommen. Die LehrerInnen waren abwechselnd mit bei den Special classes dabei. Zum einen zum Mithelfen und zum anderen um zu beobachten, wie Unterricht auch ausschauen kann.
Mich hat zuerst schockiert, dass es auch in der zehnten Jahrgangsstufe noch SchülerInnen gibt, die nicht lesen und schreiben können. Ich habe mich gefragt, wie sie es bis in diese Klasse geschafft haben, wenn sie bei den Klausuren nicht einmal die Fragen lesen, geschweige denn eine Antwort hinschreiben können. Aber im tamilischen Schulsystem kann man bis zur zehnten Klasse nicht durchfallen. Auch wenn man in allen Klausuren unterpunktet, wird man weitergeschickt in die nächste Jahrgangsstufe. Die Probleme werden dadurch nicht gelöst, sondern eher immer weiter aufgeschoben, das sehe ich und sehen auch viele der LehrerInnen sehr kritisch.
Apology letters
Ich habe in meiner ersten Woche hier zum ersten Mal etwas von einem „Apology letter“ gehört, nachdem zwei Siebtklässlerinnen im Hostel zu spät zur Studytime gekommen sind. Ich habe sie auf dem Boden sitzen und einen Brief schreiben sehen und sie gefragt, was das ist. „Apology letters, Miss“ „For the Sister, we came late so we write“. Was ich am Anfang noch für einen Scherz gehalten habe, ist keineswegs unüblich in Tamil Nadu. Täglich müssen in der Schule ganze Horden von Jungen und Mädchen ihre apology letters vom Schulleiter unterschreiben lassen, weshalb vor seinem Büro immer eine lange Schlange steht. Auch LehrerInnen müssen sich schriftlich entschuldigen, wenn sie etwas falsch gemacht haben (von mir wurde für einen Fehler noch nie ein Brief verlangt, ich glaube ich habe als Ausländerin da eine Sonderrolle). Alle apology letters von SchülerInnen und LehrerInnen werden wie in einer Akte über jeden einzelnen gesammelt, und können jederzeit für oder gegen die jeweilige Person verwendet werden. Im Hostel werden die Mappen mit den apology letters den Eltern gezeigt, wenn sie zu Besuch kommen. Erst dachte ich, dass die Apology letters nur an der Schule so gehandhabt werden, bis ich in Chennai erfahren habe, dass auch am College und in Firmen das apology letter Schreiben Gang und Gebe ist. Einmal wurde mir sogar eine Geschichte von einem Unfall erzählt, bei dem ein Fußgänger aus Versehen einen Fahrradfahrer zu Fall gebracht hat. Die Polizei hat zu dem Fußgänger nur gesagt „write an apology letter to him, then you can go home, it is not a big deal“.
Apology letters sind hier so alltäglich, aber ich finde trotzdem, dass es nicht so viel bringt, einen Brief als Entschuldigung abzugeben. Das wird niemanden davon abhalten, den Fehler nochmal zu begehen. Eine mündliche Entschuldigung direkt ins Gesicht des Betroffenen ist viel schwieriger und hinterlässt auch mehr Wirkung, als ein Brief. Wenn ich wütend auf jemanden bin, können mich doch ein ehrlich gemeintes „I am really sorry“ und vielleicht noch ein paar erklärende Worte viel eher besänftigen, als ein formeller Brief mit Unterschrift. Andererseits ist ein Brief natürlich offizieller, als eine mündliche Entschuldigung, also können beide Seiten sich darauf berufen, sollte es wieder Probleme geben.
Ein Apology letter besteht aus der Überschrift „Apology letter“, Name und Anschrift von Verfasser und Empfänger, einem kurzen Text über das Vergehen/den begangenen Fehler und den Unterschriften von Verfasser und Empfänger (in der Schule zusätzlich auch noch der Schulleiter).
Und hier der aktuelle Wetterbericht aus Tamil Nadu…
Die Regenzeit hat begonnen aber der Regen hat aufgehört!
Mitte Oktober hat sich der Regen mit einem letzten kräftigen Unwetter fürs erste verabschiedet. Es war genau der Tag, an dem alle in die 4-tägigen Ferien aufbrechen wollten. Pünktlich um 15 Uhr, als alle Schüler zurück ins Hostel stürmten, um ihre Taschen zu packen und ihren Eltern in die Arme zu fallen, begann ein Wolkenbruch. Für 2 Stunden hat es so sehr geschüttet, dass keiner einen Schritt aus dem Haus gewagt hat. Der Donner war so laut, dass wir dachten, ein Haus würde nebenan einstürzen! Nur Abina, die Unerschrockene, hat ein Papierboot gebaut und es zum Vergnügen aller draußen in dem vor der Hosteltreppe entstandenen Bach auf die Reise geschickt.
Das einzige, was uns jetzt, 2 trockene Wochen später, von der Monsunzeit bleibt: Moskitos 🙁
Brother Kulandai, der Schulleiter, hat offiziell den Beginn der Moskitophase angekündigt, als er eines Morgens Zeitung-schlagend und fluchend in den Speisesaal gestürmt kam. Und tatsächlich, seit diesem Tag nimmt die Anzahl meiner Stiche stetig zu! Es werden alle möglichen Abwehrmaßnahmen ergriffen:
– Es gibt 2 neue Moskito-Schläger in der Community, die die Köchinnen täglich im ganzen Father-Haus benutzen (sie sehen aus wie kleine Tennisschläger und sobald sie eine Moskito berühren gibt es ein lautes Knacken und Knistern; ich erschrecke immer noch oft, wenn Pungili, die eifrigste Moskito-Killerin, wie aus dem Nichts auftaucht und dieses Geräusch durch die Gänge hallt)
– Sobald man einen Raum betritt, wird als erstes der Deckenventilator eingeschaltet (auch nachts laufen die „fans“ auf Hochtouren)
– Die Türen werden hastig wieder zugeschlagen, wenn man in einen Raum rein oder hinaus geht, damit nicht noch mehr Moskitos ihren Weg nach Innen finden
– Mir wurde eine angenehm riechende Creme empfohlen, die sowohl die bereits vorhandenen Stiche kühlt, als auch vor neuen Angriffen der Moskitos schützt: Odomos (Allerdings wirkt mein Anti-Brumm aus Deutschland viel besser als Abwehr, meiner Erfahrung nach)
Eine weitere Folge des kühleren Klimas: es sind sehr sehr viele Leute krank. Zwei der Jesuiten, die Sister aus dem Hostel und drei der Köchinnen sind erkältet und einige von ihnen haben auch Fieber. Bei den Hostelkindern schaut es nicht besser aus: 15 von 35 Mädels sind mit Fieber nach Hause geschickt worden und täglich muss Brother Thomas aus dem Boys Hostel mit neuen Schülern ins Hospital nach Uthiramerur. Mich hat es noch nicht erwischt, und das obwohl ich keinen Koriander-Ingwertee oder Grass-Juice trinke, wie mir alle ständig raten. Hier ist es üblich, vorbeugend sehr gesunde, natürliche Mixturen zu sich zu nehmen, um gar nicht erst krank zu werden. Mir reicht allerdings schon die Vorstellung von Koriander-Ingwertee, um ein flaues Gefühl im Magen zu bekommen… Die Fathers trinken morgens immer eine halbe Tasse Grass-Juice, ich habe es an meinem ersten Tag hier probiert und beschlossen, dass es auch das letzte Mal sein würde, weil es für mein Empfinden einfach zu gesund geschmeckt hat. Die Regierung hat gestern für alle Schulen Neem-Tree Saft gesponsort, um die Schüler vor Erkältung und Gliederschmerzen zu schützen. Ich konnte diesmal leider nicht schnell genug entkommen und hatte plötzlich auch einen Becher mit dem bitteren Zeug in der Hand. Nase zu und durch!
Der Drei-Fronten-Krieg
Letztes Wochenende haben die 8. Klassen sehr viele Hausaufgaben in Mathe bekommen. Ihr neues Thema: Binomische Formeln. Verzweifelt kam am Freitag Nishanti zu mir und hat auf eine Buchseite voller Umformungsaufgaben gezeigt, die wir sogleich angepackt haben. Nach 3(!) Studytimes waren wir fertig. Als am nächsten Tag Tamilvani mit genau den gleichen Aufgaben zu mir kam habe ich innerlich ein bisschen geseufzt, aber habe eben nochmal genau das gleiche erklärt wie vorher ihrer Klassenkameradin. Am dritten Tag rannten die restlichen drei Mädels aus der 8. Klasse, Rajasri, Asina und Rebeka, alle auf einmal zu mir, um genau die gleiche Buchseite mit mir durchzuarbeiten. Da sie alle unterschiedlich schnell im Rechnen und im Merken der Formeln sind, musste ich jedem einzeln erneut die gleichen Umformungen erklären wie die 2 Tage davor auch schon. Nur dass diesmal von drei Seiten gerufen wurde:
„Naan first, Miss, pleeease“
„One formular, Miss, only one more formula“
„I, Miss, I, Rebeka was so long now“
„No Miss, me first, tomorrow my Maths Sir will correct!“
„Rajasri only sleeping, come here Miss“
„Miiiiss Miiiss, this one is right Miss? You see!“
Ich habe versucht, allen dreien gerecht zu werden, aber es herrschte wirklich Krieg in dieser Studytime! Der Krieg um meine Aufmerksamkeit und der Krieg gegen die binomischen Formeln. Wir haben aber alle gemeinsam die Schlacht gewonnen, weil am Montag Morgen in der Morning Study auch noch die letzten Formeln ihre Anwendung gefunden hatten und wir zufrieden die Mathebücher schließen konnten. Zumindest bis zum nächsten Mal…
Science exhibition
Am Science exhibition Day an der Loyola Higher Secondary School waren alle SchülerInnen sehr aufgeregt. Jede Klasse hat verschiedene Versuche, Plakate oder eigene Erfindungen präsentiert, die alle in der großen „Indigo Hall“ aufgebaut waren. Es gab so viele pfiffige Projekte, wie Straßenlaternen mit Bewegungsmelder (zum Stromsparen), ein kompliziert aussehendes System von Wasserrohren in einem Haus (um Regenwasser geschickt weiterzuleiten) oder einen ferngesteuerten Roboter mit Flaschendeckeln als Räder.
Mein Lieblings-Projekt war eine kleine Maschine aus einer CD mit Löchern und einer Plastikflasche, die Seifenblasen erzeugt hat:)
Begeistert habe ich mir alles angeschaut und mir eifrige Erklärungen meiner Englischschüler zu ihren Erfindungen angehört.
Pooja, Affen und Fisch
In den vorher schon erwähnten Ferien Mitte Oktober war ich wieder in Chennai am Loyola College bei Father Dominic. Er hat mich gleich am ersten Ferientag mitgenommen auf einen Ausflug in den Westen Tamil Nadus. Unsere Reisebegleitung: Father Venish aus Chennai und der Driver des Loyola College, Baskar. Wir sind zuerst zu einem Arzt in Krishnagiri gefahren, der Naturheilkundler ist und dem Dominic sein vollstes Vertrauen schenkt. Während die Männer im Wartezimmer gewartet haben, war ich eher interessiert an dem Laden für Tore und Zäune nebenan. Es war Pooja-Fest an diesem Tag, das bedeutet, dass alle Gegenstände verehrt werden, die uns im Alltag und im Arbeitsleben helfen. Deshalb wurden alle Maschinen und Fahrzeuge des kleinen Ladens mit Blumen, Farben und Obst geschmückt und um eine Gottesstatue herum platziert. Ich wurde eingeladen, ganz vorne bei der Zeremonie mit zuzuschauen, eine große Ehre, die mir vermutlich wegen meiner weißen Haut zuteil wurde. Eine Schale mit Feuer wurde vor den Gegenständen mehrmals im Kreis geschwenkt, danach haben alle Gäste dreimal mit den Händen (ganz leicht) die Flammen berührt und die Hände danach zur Stirn geführt – eine Geste der Verehrung. Danach wurde das gleiche mit einem Kürbis wiederholt, den man ebenfalls zum brennen gebracht hat. Um das Haus für das nächste Jahr zu segnen, wurde er vor dem Eingang zu Boden geschmissen und ist in 4 gleichgroße Teile zersprungen. Ich habe voller Staunen diesen ganzen Ereignissen zugeschaut und war froh, dass ich nicht wie die anderen die ganze Zeit im Wartezimmer gesessen habe! Zum Abschied wollten alle auf dem kleinen Pooja-Fest mit mir Bilder machen und ich habe eine riesige Tüte mit knusprigen Snacks in die Hand gedrückt bekommen. Die haben wir auf der weiteren Fahrt im Auto gemeinsam verspeist:)
Wir sind als nächstes zum Hogenakkal Wasserfall an der Grenze zu Karnataka gefahren, der in einem riesigen Naturschutzgebiet liegt, aber sehr touristisch ist. Kurz vor unserer Ankunft fuhren wir ein Stück durch wunderschöne Waldlandschaften, Schilder am Straßenrand warnten vor Elefanten und Affen, die die Straße überqueren könnten. ELEFANTEN?! Ich war ganz aufgeregt und habe wie gebannt in die Bäume rings um gestarrt, ich wollte unbedingt einen Elefanten entdecken! Aber wie zu erwarten meiden Elefanten die Umgebung der Straße, zu viele Menschen treiben dort ihr Unwesen. Also keine Elefanten, dafür aber umso mehr Affen. Freche Affen! Sie sind auf Autos geklettert, haben Essen von Tellern stibitzt und sind einem wirklich nah gekommen. Wir haben im oberen Becken des Wasserfalls ein Bad genommen, der Wasserfall selbst war leider gesperrt und wir konnten ihn nicht anschauen:( Aber Baden war auch lustig, ich hatte extra Klamotten mitgenommen, die ich beim Schwimmen anziehen kann. Badeanzüge kann man in Indien höchstens an sehr touristischen Stränden in den großen Städten anziehen, ansonsten sollte man, wie die indische Bevölkerung, auf Schwimmen mit Kleidung umsteigen, aus Respekt der einheimischen Kultur gegenüber. Die Fathers sind zum Männer-Badeplatz gegangen, Baskar, der Driver, ist als mein Aufpasser mit zur Frauen-Seite gekommen. Komischerweise waren auch viele Männer auf der Frauen-Seite im Wasser… Erst hatte ich ein bisschen Bedenken, was ich da alleine im Wasser eigentlich soll, aber sie waren unbegründet! Schon 2 Sekunden nachdem ich das Wasser berührt hatte, umgab mich eine Schar von Frauen, die mich hineingeführt und angelächelt hat. Sofort begannen Frauen und Männer, die nahe genug an mir dran waren, Fragen zu stellen. What is your name? Where are you from? Where are you staying in India? Who came with you? Do you have brothers and sisters? Do you like India? Do you like our food? How old are you? Etc. etc.
Meine neuen Badefreunde waren auch begeisterte Selfie-Macher, nach 20 Minuten hatte ich dann auch genug, obwohl die Leute wirklich nett und das Wasser sehr schön kühl war. Ich wollte meine Klamotten zum trocknen aufhängen, bis die Fathers von ihrem Bad zurückkamen, aber eine Gärtnerin meinte hastig, ich sollte meine Sachen ganz schnell wieder einpacken! Der Grund waren die diebischen kleinen Affen…
Nach diesem aufregenden Tag kamen wir abends sehr erschöpft wieder in Chennai an und ich habe es die nächsten Tage eher ruhig angehen lassen:)
An dieser Stelle muss ich eine kleine Korrektur für meinen letzten Blogeintrag vornehmen. Ich habe eine Kirche mit Kirchenbänken gefunden: die auf dem Loyola College! Aber bisher ist das auch die einzige, in der ich welche gesehen habe…
Ich habe in Chennai zwei Freundinnen gefunden, Studentinnen am Loyola College, mit denen ich mich in meinen Ferien immer treffe. Nooria, eine Studentin aus Afgahnistan, und ich sind zusammen essen gegangen und haben die Läden rund um das Loyola College erkundet.
Leider musste sie und auch meine andere Freundin für ihre Klausuren lernen, weshalb sie nur wenig Zeit hatten. So bin ich mit Fr. Dominic zu einer mit ihm befreundeten Famile gefahren, die er vor 3 Jahren auf einer Zugfahrt kennengelernt hat. Seither haben sie Kontakt gehalten und es sind wirklich nette Leute! Sie haben ein riesiges Essen für uns zubereitet, allerdings eine Herausforderung für mich als Fisch-und-Meeresfrüchte-Skeptikerin… Es gab frittierte Fischscheiben (die noch alle winzige Gräten hatten), Fischcurry(im Curry werden traditionellerweise nur Kopf und Schwanz des Fisches verarbeitet) mit Reis, Biriyani mit Garnelen und als Beilage Zwiebeln mit Garnelen. Ich muss zugeben, dass die kleinen Garnelen ein bisschen wie Hühnchen geschmeckt haben und gar nicht so schlecht waren, aber Fischkopf brauche ich wirklich nicht nochmal… Es gab danach aber noch leckeren Nachtisch und nach dem Nachtisch noch Schokoeis und nach dem Schokoeis noch Tee und Cashew-Snacks. Auch Onkel und Tante der Familie waren für unseren Besuch angereist und wir führten viele gute Gespräche.
3 Monate sind schon vergangen, seit ich mich auf den Weg nach Indien gemacht habe, es ist kaum zu glauben! Die Zeit vergeht für mich wie im Flug, da im April die Sommerferien für die SchülerInnen anfangen, bleiben im Prinzip nur noch 6 Monate Schule übrig!
Ich habe im September endlich meinen Willkommens-Baum gepflanzt! Father Samy, der Pflanzen-Beauftragte von Kuppayanallur, meinte schon vor Wochen, ich sollte (ganz nach tamilischer Tradition) einen Baum pflanzen, um den Start in einen neuen Lebensabschnitt zu markieren. Wenn ich gehe, soll ich einen zweiten pflanzen… Und so kam er eines Tages mit einem bereits sprießenden Coconut-Tree-Samen, den ich dann unter dem Beifall der Mädels einpflanzen konnte.
Es wurden noch drei weitere Bäume daneben gepflanzt und ich wurde zur Bewässerungs-Beauftragten ernannt. An jedem regenlosen Tag schnappe ich mir drei Mädels und wir schleppen Wasserpötte zu den jungen Bäumen, damit sie auch gut wachsen.
Meine ersten Ferien in Indien
Ende September waren einige Tage lang Ferien. Für einen Nachmittag habe ich eine der 11. Klässlerinnen aus dem Hostel zu Hause besucht. Sie wohnt in einem Vorort von Chengalpat, wo ich am Abend einen Zug erwischen musste. Nach dem Mittagessen in Kuppayanallur bin ich zu ihr gekommen und wurde mit einem zweiten Mittagessen überrascht. Eigentlich war ich schon völlig satt, aber hausgemachtes Biriyani sollte man wirklich nicht ablehnen! Zwei volle Teller später konnte ich einen dritten erfolgreich abwehren, ohne unhöflich zu sein, auch wenn es wirklich lecker war! Womit ich nicht gerechnet hatte: Es gab noch Nachtisch… Auch der war speziell für mich zubereitet worden, so was ähnliches wie Teigtaschen mit Nussfüllung. Anschließend haben wir uns umgezogen für einen Besuch in 2 Hindutempeln in der Nähe. Ich habe einen sehr edlen, sehr pinken Saree von ihrer Mutter getragen und war etwas langsam beim Laufen, sehr darauf bedacht nicht auf den Stoff zu treten 🙂
In den Tempeln sind wir jeweils 3 mal im Kreis gelaufen, bevor wir in der Mitte vor der Gottesstatue so etwas wie ein Mini-Räucherstäbchen angezündet haben.
Im ersten Tempel gab es einen „Wächter“, der nur einen Dothi (ein weißes Tuch, das viele tamilische Männer traditionell umbinden und statt einer Hose tragen) trug und der mich über meine Herkunft und meine bisherigen Erfahrungen in Indien ausgefragt hat. Zurück im Haus gab es zum Abendessen nochmal Biriyani, dann bin ich zu meinem Zug gebracht worden.
Es war ein Nachtzug nach Sivagangai, einer sehr südlichen Stadt in Tamil Nadu, wohin ich mit meinem Mentor Father Dominic und seinem Kollegen Father Justin aufgebrochen bin. Die beiden haben sehr gut auf mich aufgepasst und so hatte ich eine sehr gemütliche Nacht in einem der obersten Betten des Zuges (es sind immer 3 übereinander) 😀 Wir sind dorthin gefahren für die Priesterjubiläumsfeier einiger Jesuiten. Die Familie von einem der Jesuiten hat das Fest ausgerichtet und organisiert.
Ich war schon vorher öfter auf Feiern wie dieser in Indien und wage zu behaupten, dass sie (zumindest wenn Jesuiten beteiligt sind) immer ähnlich ablaufen. Zuerst ist Gottesdienst, dann werden Geschenke überreicht. Hierfür stellt sich eine sehr lange Reihe von Menschen hintereinander auf, jeder mit Früchten, Deko-Gegenständen, Kleidung, Taschen, Blumen oder anderen Geschenken in den Händen. Nacheinander überreichen sie diese und werden im Gegenzug von dem Beschenkten gesegnet. Danach kommen alle anderen Gäste der Feier und segnen den Gefeierten, indem sie ihm einen Schal umlegen (ich habe noch nicht herausgefunden, was Männer nach der Feier mit so vielen Schals anstellen…). Von jedem, der einen Schal überreicht und gratuliert, wird ein Bild mit dem Gefeierten gemacht, danach startet das Programm (Singen, Tanzen) und am Schluss steht die Dankesrede. Danach können alle zum Essen kommen, es gibt bei Feiern IMMER Biriyani, viele Soßen, Gemüse und Fleischstückchen dazu, eine kleine Flasche Wasser und als Nachtisch Eiscreme. Gegessen wird mit einem Bananenbaumblatt als Teller, das danach schnell und sauber entsorgt werden kann. Leider kommt bei wirklich jedem Fest die Eiscreme viel zu früh, sodass sie immer schon geschmolzen ist, wenn man fertig gegessen hat!
In Sivagangai habe ich auch die Kathedrale besucht, die direkt neben dem Bischofshaus steht.
Alle Kirchen, die ich bisher in Tamil Nadu gesehen habe, unterscheiden sich sehr von Kirchen in Europa. Die Mauern sind bunt angemalt, es gibt viele Heiligen-, Jesus- und Marienstatuen und sehr bunte Dekorationen mit Blumen und glänzenden Stoffen. Die schönen Verzierungen zeigen die große Hingabe an Gott und sollen den Ort als etwas Verehrungswürdiges kennzeichnen. Das ewige Licht war in der Kathedrale eine elektrische Lampe statt einer Kerze und in keiner Kirche gibt es Kirchenbänke. Die Gemeinde sitzt am Boden, nur die älteren und die „wichtigen“ Personen sitzen auf Plastikstühlen.
Nach der Feier sind wir mit dem Auto zurück nach Chennai gefahren, wo ich die restlichen Tage der Ferien am Loyola College verbracht habe. Neben ein bisschen Shopping, um mich mit einem Regenschirm und außerdem mit Haarspangen, Sicherheitsnadeln und Potu (den Punkten auf der Stirn) auszustatten, war ich mit zwei Freundinnen aus Chennai im Kino. Der Film „U-Turn“ entpuppte sich als tamilischer Thriller/Horrorfilm, war aber wirklich spannend und obwohl ich fast kein Tamil kann, habe ich die Story sehr gut verstanden! Da es kein Liebesfilm war, gab es kein Tanzen und Singen, wie man es sonst von Bollywoodfilmen kennt. Es hat eher an einen Krimi erinnert (nur etwas gruseliger), wie wir ihn auch in Deutschland gerne sehen.
Inzwischen sind wir wieder alle zurück im Hostel. Die Ferien waren sehr lustig und entspannend, aber es ist doch auch wunderschön, alle inzwischen so vertrauten Gesichter wiederzusehen und zu wissen: hier gehöre ich hin!
„Remember, that the happiest people are not those getting more, but those giving more“ -H. Jackson Brown
Dieser Satz trifft auf die Menschen in Indien auf jeden Fall zu! Jeden Tag bin ich aufs Neue erstaunt, wie selbstverständlich und friedfertig Radiergummis, Stifte, Kleber, Scheren etc. im Hostel von einem zum anderen Mädchen weitergegeben werden, sobald jemand danach fragt. Ohne mit den Augen zu rollen oder genervt anzumerken, dass die Fragende sparsam damit umgehen soll, werden auch fast leere Kleberflaschen oder das letzte leere Blatt in einem Heft an andere verteilt! Nicht viele Mädchen im Hostel besitzen Buntstifte, aber diejenigen, die welche haben, verstecken sie trotzdem nicht vor den anderen, um selbst mehr davon zu haben. Und nicht nur mit den eigenen Freunden wird geteilt, sondern mit jedem, der es braucht.
Das gleiche gilt für alle Arten von Essen und Trinken! Jeden 2. Sonntag dürfen die Eltern ihre Kinder am Nachmittag besuchen und bringen ihnen stets eine Vielzahl von Blumen (fürs Haar), Snacks und anderen Kleinigkeiten mit. Neulich sitze ich mit zwei 6. Klässlerinnen in der Studyhall und eine der beiden erzählt mir traurig, dass ihre Eltern meistens nicht genug Geld haben, um ihr Snacks mitzubringen. Eine Sekunde später steht die andere 6. Klässlerin auf und stürmt zum Platz ihrer großen Schwester, um ein Päckchen mit Nüssen für ihre traurige Freundin zu holen. Auf dem Weg wurde sie leider von der Sister erwischt und musste sich als Bestrafung fürs Herumlaufen (während der Studytime) in der Mitte aufrecht auf den Boden knien und da warten, bis die Sister sie zurück auf ihren Platz schickt. Diese Ungerechtigkeit hat mir fast das Herz gebrochen, immerhin wollte sie nur etwas Gutes tun und wird dann dafür bestraft. Da Snacks aber ein noch schlimmeres Vergehen als Herumlaufen sind, konnte ich der Sister wohl kaum die Situation erklären, ohne die Bestrafung noch zu steigern 🙁
Kleine Päckchen mit Chips-ähnlichen, knusprigen Leckereien und Nüsschen sind hier sehr beliebt. Wenn mir jemand mit so einem Päckchen entgegenkommt, wird mir immer etwas angeboten/aufgedrängt. Egal wie oft ich beteuere, dass ich gerade keinen Hunger habe oder gerade erst Snacks im Fatherhouse gegessen habe, bevor ich nicht eine Hand voll genommen habe wird keine Ruhe gegeben. Glückliche Gesichter schauen mir dann beim Essen zu und fragen hoffnungsvoll: „Tasty?“. Auch wenn wir in größerer Runde beisammen sind, jeder bekommt etwas ab! Und jeder, der etwas gegeben hat, freut sich, wenn die anderen es mit genießen konnten.
Diese Lebenseinstellung finde ich sehr schön und sehr berührend. Ich will damit nicht sagen, dass wir in Deutschland nicht gerne teilen! Wir haben in der Schule auch manchmal Kuchen, Mini-Tomaten, Brot etc. untereinander geteilt. Nur die Selbstverständlichkeit des Teilens habe ich noch nie so sehr gespürt wie hier! Sogar eine mir völlig unbekannte Frau im Zug hat mir neulich ein total leckeres, süßes Sesam-Bällchen geschenkt, weil ich zufällig daneben stand, als sie sich welche davon gekauft hat… Es gibt noch so viel mehr Beispiele, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann!Doch schon allein die Frage „Saptingalaa?“ (Hast du schon gegessen?), die man an jeden richtet, den man so im Vorbeigehen trifft, zeigt, wie sehr die tamilische Seele um das leibliche Wohl ihrer Mitmenschen besorgt ist. Beantwortet man die Frage mit Nein, erntet man einen besorgten Blick und sollte schnell beteuern, dass man gerade auf dem Weg zur nächsten Mahlzeit ist.
Neben dem Teilen fällt mir auch auf, dass die Hostelmädchen trotz vieler kleiner Streitigkeiten doch auch untereinander sehr verbunden sind. Sie sitzen alle im gleichen Boot und haben es bei den hohen Erwartungen an sie nicht immer leicht hier.
Vor einer Woche bekamen die 6. Klässlerinnen als Hausaufgabe auf, bis zum nächsten Tag die Zahlen von 1 bis 5000 aufzuschreiben. Tapfer haben sie in der Studytime angefangen, ohne die Sinnhaftigkeit dieser Hausaufgabe zu hinterfragen (ich an ihrer Stelle hätte mich furchtbar über den Lehrer aufgeregt!). Nach einiger Zeit habe ich bemerkt, dass auch die 9. Klässlerinnen pausenlos Zahlen auf ein Blatt Papier schreiben. Als ich sie gefragt habe, ob sie die gleiche Aufgabe bekommen haben, stellte sich heraus, dass jede von ihnen einem der jüngeren Mädchen beim Zahlen aufschreiben geholfen hat! Statt für ihren Poem test am nächsten Tag zu lernen, haben sie die gesamten 2 Stunden der Evening Study für ihre kleinen Hostel-Schwestern die Zahlen von 3000 bis 5000 aufgeschrieben! Ohne diese Hilfe hätten es die 6. Klässlerinnen nie bis zum nächsten Tag geschafft, aber so präsentierten sie mir um 9.45 pm stolz ihre Blätter voller Zahlen. Auch aus den anderen Klassenstufen gibt es viele sehr hilfsbereite Mädels, die selbstlos Hausaufgaben oder Strafarbeiten ihrer Hostel-Kameradinnen mittragen, wenn die es alleine nicht schaffen.
Baustelle Hostel
Kurz vor den Ferien wurde ein Leck in den Wasserleitungen, die „Gracy Illam“ versorgen, festgestellt. Erst hat man sich mit einer provisorischen, überirdischen Leitung beholfen, die über die Fenster mitten durch ein Gebäude verlaufen ist. Schließlich mussten dann aber doch der Boden aufgerissen und die Rohre ersetzt werden, das war ein sehr großer Aufwand.
Leider hatten wir dadurch kein Wasser mehr im Hostel und auch nicht im Fatherhouse. Doch die Arbeiten wurden innerhalb von 2 Tagen abgeschlossen, sodass unsere vorher abgefüllten Wasservorräte noch gereicht haben. Nach den Ferien wurde das gleiche Leck in den Leitungen zum Boys Hostel gefunden… die gleiche Aktion nochmal, nur auf der gegenüberliegenden Seite des Campus.
Außer den neuen Rohren hat auch die Wasserstelle einen neuen Anstrich über die Ferien bekommen und es wurden die Wäscheleinen nachgespannt. Alles sieht jetzt ein bisschen ordentlicher aus, mal schauen, wie lange das so bleibt… 🙂
Durch den stets heftiger werdenden Regen wird es immer matschiger draußen und leider kommen auch jeden Tag mehr Mosquitos dazu. Wenn es sehr stark windet und regnet, ist meistens schulfrei, da die Kinder aus den etwas weiter entfernten Dörfern sonst auf ihrem Schulweg gefährdet wären.
An solchen Tagen fällt uns im Hostel oft die Decke auf den Kopf, weil wir den ganzen Tag eingesperrt sind. Um Erkältungen vorzubeugen darf niemand rausgehen, wenn es regnet. Aber dafür werden an Regentagen die Brettspiele ausgepackt, ein seltenes Privileg, das mit großer Begeisterung aufgenommen wird. Ich habe die indische Variante von „Mensch ärgere dich nicht“ gelernt, das Spiel heißt „Daibas“ und wird nicht mit einem Würfel sondern mit 4 Hälften einer Tamarind-Nuss gespielt, die entweder „weiß“ oder „schwarz“ zeigen können. Es macht großen Spaß und man kann sogar im Team spielen! Als Spielfiguren kann alles mögliche dienen, wir haben uns für „Sicherheitsnadeln“ gegen „Haarclips“ entschieden.